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Der Letzte soll der Erste sein

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Die olympische Idee geht davon aus, daß ein friedliches Treffen von Menschen aus aller Welt dazu beitragen könnte, die Angehörigen verschiedener Völker einander näherzubringen. Das könnte allerdings nur dann zutreffen, wenn man nicht dabei internationale sportliche Wettkämpfe organisieren würde.

Sportliche Wettkämpfe, ob lokale oder internationale, sind sehr interessant und bringen viel Vergnügen, vor allem den Zuschauern, die sie von den bequemen Tribünen aus verfolgen. Die Zuschauer sind höchst zufrieden, daß sie sich selbst nicht so

anstrengen müssen wie die schwitzenden Sportler und noch den Nachbarn erklären können, wie sie es besser gemacht hätten.

Der große Nachteil der Wettkämpfe besteht jedoch darin, daß jeder siegen will. Das erweckt lokale und internationale Rivalitäten und Feindseligkeiten. Mit Recht, da man von niemandem verlangen kann, er solle ruhig anerkennen, daß irgendein Dahergelaufener besser ist als unser Mann, nur deshalb, weil er längere Beine hat oder ein gründlicheres Training.

Um die Völkerverständigung zu fördern, wäre es natürlich am besten, die Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen abzuschaffen. Die Besucher, von kämpferischen Leidenschaften ungestört, könnten sich anfreunden und hätten auch Zeit für freundschaftliches Beisammensein gewonnen.

Da jedoch die Spiele als Vorwand für das Olympiatreffen unerläßlich sind, muß man mindestens die Regeln revolutionär verändern. Künftig soll der Letzte der Erste sein. Die Medail-

le bekommt also der Läufer, der am spätesten ans Ziel kommt, die Mannschaft, die dem feindlichen Tor ausweicht und die wenigsten Berührungen mit dem Ball hat (Eigentore könnte man allerdings nicht anerkennen), und so weiter. Damit könnten sich auch viel mehr Menschen aktiv in die Spiele einschalten, ohne daß die meisten bisherigen Olympioniken ihre Chance verlören.

Zu bedenken ist jedoch, daß der Ehrgeiz, den besten Verlierer zu stellen, ähnliche Leidenschaften auslösen kann wie der Sieges-Ehrgeiz. Spiele wie die Schlagdame - aber auch die Geschichte - zeigen es: Verlieren muß man mindestens genauso gut können wie siegen.

Wahrscheinlich läßt sich doch bei den Olympischen Spielen nicht viel mehr für die Völkerverständigung tun, als Leuten aus neutralen Ländern, das heißt aus solchen, die nicht gegeneinander um Gold, Silber oder Bronze kämpfen, die Gelegenheit zu geben, miteinander in aller Freundschaft ein Bierchen zu trinken.

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