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Payer und Weyprecht

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75 Jahre Entdeckung von Franz-Joseph-Land.

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75 Jahre Entdeckung von Franz-Joseph-Land.

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Vor 75 Jahren, am 3. September 1874, nahm von dem kleinen norwegischen Hafen Vardö aus eine Nachricht den Weg durch alle Länder der Erde, die größtes Aufsehen erregte. Sie berichtete von der Rückkehr der österreichischen Nordpolexpedition, die unter Führung von Payer und Weyprecht 1872 ihren Weg in die Arktis angetreten, die das Franz-Joseph-Land entdeckt und nach 812 Tagen bewegtester Forschungsfahrten nunmehr wieder die bewohnte Erde betreten hatte. Schon wollte man die 24 Österreicher samt ihrem Schiff „Tegetthoff“ verloren geben, da standen sie plötzlich vor aller Weit und präsentierten ihr die wohlgelungene erste umfangreiche Landentdeckung im europäischen Eismeer seit fast 300 Jahren, die auch zugleich die letzte sein sollte.

Österreichs Anteil an der Erforschung der Nordpolargebiete erschöpft sich nicht in dieser einen Entdeckertat, denn Julius von Payer hatte bereits 1869/70 als Topograph und Leiter der Schlittenreisen an der Koldewey-Expedition in Grönland teilgenommen, 1871 und 1872 erfolgten die Vorexpeditionen des „Isbjörn“, und Karl Weyprecht war es zu verdanken, daß 1882/83 das erste internationale Polarjahr stattfand, an dem Österreich durch seine Marinestation auf Jan Mayen vertreten war. Dieser ganze Komplex österreichischer Arktisforchung verdient eine eingehende und dauernde Würdigung durch die Nachwelt.

Die Größe der Leistungen der Jahre 1872/74 kommt erst jetzt nach Abschluß der Erforschung der nördlichen Polarregionen und nach Erreichung des Nordpols selbst zum vollen Bewußtsein. Österreich hißte damals auf 82° 5’ nördlicher Breite seine rotweißrote Farben und besetzte damit den dritten Platz im Wettlauf um den Pol, nachdem es von fast hundert vorangegangenen Expeditionen nur zweien — England und den USA — gelungen war, diesen Rang zu überbieten. Die damaligen technischen Möglichkeiten der Durchquerung der arktischen Eiswüsten waren noch primitiv und nicht zu vergleichen mit den Panzerschiffen, den Flugzeugen, der Funkverbindung und Peilung oder mit der vollentwickelten Einzelausrüstung der Forscher unserer Tage. Die Leistungen der österreichischen Matrosen und Soldaten in den Jahren 1872-74 erschienen deshalb vielen zunächst geradezu unglaubwürdig, denn sie überstiegen das damalige Vorstellungsvermögen.

Franz-Joseph-Land wurde nach seiner Entdeckung im weiteren Verlauf der Polar- reisen zu wiederholten Malen der Ausgangspunkt neuer wissenschaftlicher Unternehmungen, und es bewährte sich als Sprungbrett zum Pol. Für die moderne Technik stellt die Inselgruppe weder hinsichtlich der Verkehrsverbindungen noch hinsichtlich der Unterhaltung dauernder Niederlassungen mehr ein Problem dar. Österreich hat dort bekanntlich niemals Besitzrechte ausgeübt, sein wissenschaftlicher Ruhm aber ist unabhängig von der Frage der territorialen Souveränität.

Aber nicht allein vom Standpunkt geographischer Errungenschaften bleibt das Werk Payers und Weyprechts bemerkenswert. Was uns heute besonders berührt, ist die persönliche Haltung einer Hand voll Menschen, die in völliger Abgeschlossenheit von der Welt mehr als zwei Jahre ausgehalten haben, bis ihre Aufgabe erfüllt war. In aussichtslosesten Lagen und oft unüberwindlich scheinenden Gefahren gegenüber haben sie niemals Mut und Zuversicht verloren und durch Disziplin, Kameradschaft und unbeirrbaren Glauben gesiegt. Verschiedenen Nationalitäten zugehörig, verschiedene Sprachen sprechend und von ungleichartigem Bildungsgrad, formten sie doch eine durch nichts gestörte harmonische Gemeinschaft. Payer und Weyprecht besaßen ihre unbestrittene Autorität nicht so sehr als Vorgesetzte, sondern vor allem kraft ihres überragenden fachlichen Könnens und ihrer persönlichen Leistungen.

Die geistige Ausstrahlung, die von diesem Beispiel ausgeht, bringt für den Österreicher reichen Gewinn. In einer Zeit, in der weltanschauliche und parteipolitische Zersplitterungen mit der Notwendigkeit einer Zusammenfassung ringen, ruft das Vorbild, das die Payer-Weyprecht-Mannschaft vor 75 Jahren durch Überparteilichkeit und geschlossenes Eintreten für ein allen nützendes Werk geliefert hat, zur Besinnung.

Die Payer-Weyprecht-Gemeinde (Staatsarchiv 2, VII., Stiftgasse 2) hat sich die Herausgabe einer billigen Erinnerungsschrift an 1872—1874, die Vorbereitung einer Gedächtnisausstellung, die Bearbei. tung der Biographien der beiden genannten Forschungsreisenden und die Errichtung eines Denkmals der österreichischen Arkcisforschung zum Ziele gesetzt. Die Erinnerungsschrift, die in einer Gedenkrchrift gewürdigt werden wird, ist soeben erschienen, die Ausstellung im Werden.

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