Österreichs Kolumbusse

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"Die Entdeckung der Welt - die Welt der Entdeckungen": österreichische Forscher, Sammler und Abenteurer im Wiener Künstlerhaus.

Als echter Bettelmönch besaß er nichts als seine Kutte, einen Wanderstab, einen Brotbeutel und ein Kreuz. Im Alter von 24 Jahren machte sich der deutsch-böhmische Franziskanermönch Oderich von Portenau auf den Weg nach Peking. Nur zu Fuß und per Schiff gelangte er über das Schwarze Meer, Indien, Sri Lanka, Sumatra, Borneo, das heutige Kambodscha und Vietnam nach China, der Rückweg führte ihn über die Mongolei, Tibet, Afghanistan, Persien und Konstantinopel nach Udine. Todkrank diktierte er dort einem Ordensbruder die Beschreibung seiner abenteuerlichen Reise, die 30 Jahre gedauert hatte.

Die Reisechronik des Oderich von Portenau (1286-1331) ist sicherlich mit jener des Marco Polo (1254- 1324) gleichzusetzen, dennoch ist der venezianische Kaufmann weltbekannt, während sich kaum jemand noch an den österreichischen Mönch erinnert. Österreich gilt eben nicht unbedingt als ein Land der Entdecker - zu Unrecht, wie eine große Ausstellung im Wiener Künstlerhaus nun zeigt: "Die Entdeckung der Welt - die Welt der Entdeckungen. Österreichische Forscher, Sammler, Abenteurer" beleuchtet dieses beinahe vergessene Kapitel heimischer Geschichte. Ein wesentlicher Teil der weltberühmten Bestände der großen Wiener Museen geht auf sie zurück. Über 1.000 Objekte haben das Kunsthistorische Museum mit dem Museum für Völkerkinde, das Naturhistorische Museum und das Heeresgeschichtliche Museum zu der Ausstellung beigetragen.

Die Schau erinnert unter anderen an Nikolaus Joseph von Jacquin (1727 -1817), den "Linné Österreichs", der eine Expedition in die Karibik sowie an die südamerikanische Küste leitete. Die zahlreichen lebenden Pflanzen, die er nach Wien brachte, gelangten in die Orangerie von Schönbrunn, wo sie allerdings durch die Dummheit eines Hilfsgärtners vernichtet wurden. Oder an Thaddaeus Peregrinus Haneke (1761-1816), den "österreichischen Humboldt", der nach einem Schiffbruch vor der Küste von Paraguay nur mit einer Schlafmütze bekleidet, in der er das Empfehlungsschreiben des Spanischen Königs aufbewahrte, und einem naturwissenschaftlichen Buch in der Hand gerettet wurde. Oder an Ferdinand Lukas Bauer (1760- 1826), der nach Haneke und einem Sträfling als dritter Österreicher australischen Boden betrat.

1817 reiste Leopoldine, die Tochter von Kaiser Franz I. nach Rio de Janeiro, wo sie mit dem späteren Kaiser Pedro I. von Portugal und Brasilien vermählt wurde. Franz, wegen seiner Begeisterung für Pflanzen sowie seiner Ausbildung zum Gärtner auch "Blumenkaiser" genannt, stattete eine großangelegte Expedition aus, welche die Erzherzogin nach Brasilien begleitete. Mit dabei war Johann Natterer, der im Laufe von 18 Jahren unter anderem 1.146 Säugetiere, 12.294 Vögel, 1.678 Amphibien, 1.621 Fische und 32.825 Insekten nach Wien sandte. Sein Name wurde in der Benennung zahlreicher von ihm entdeckter Tierarten verewigt.

Erzherzog Ferdinand Max, ab 1854 Oberkommandeur der österreichischen Kriegsmarine, initiierte die Weltumsegelung der Fregatte "Novara" (1857-1859). Durch diese Reise, deren internationale Resonanz enorm war, wurde die österreichische Marine in aller Welt bekannt und populär. Obwohl sich 1859 Frankreich mit Österreich im Kriegszustand befand, erteilte Kaiser Napoleon III. seinen Seestreitkräften den Befehl, der "Novara" freie Fahrt zu gewähren, da die Franzosen "die Wissenschaft als Gemeingut aller Völker der Erde" betrachteten. Die "Novara" blieb Ferdinand Max, dem späteren Kaiser Maximilian von Mexiko, weiter schicksalhaft verbunden: 1864 schiffte er sich auf der Fregatte nach Mexiko ein, drei Jahre später wurde der Leichnam des erschossenen Habsburgers auf der "Novara" heimgeführt.

Die zweite aufsehenerregende Forschungsreise der österreichischen Kriegsmarine, die Nordpolepedition 1872-1874 unter Julius Payer und Karl Weyprecht, gipfelte in der Entdeckung der nach dem österreichischen Kaiser benannten Inselgruppe Franz-Josephs-Land. Von 1869 an wurde die Ausbildung der österreichischen Marinekadetten mit einer zehn- bis zwölfmonatigen Weltreise auf einem k. u. k.-Schiff abgeschlossen.

Auch in einem eher unrühmlichen Kapitel der europäischen Entdeckungsreisen spielten Österreicher eine Rolle: bei der "Entdeckung" Afrikas. "Die Erforschung des afrikanischen Kontinents Ende des 19. Jahrhunderts steht im engen Zusammenhang mit seiner Kolonisierung, unabhängig davon, welche persönlichen Motivationen die einzelnen Forscher nach Afrika geführt haben mögen", gibt Barbara Plankensteiner im umfangreichen Katalog zu bedenken. Allein indem sie die Topografie Afrikas benannten, nahmen die Afrika-Pioniere symbolisch vom Schwarzen Kontinent Besitz, als ob es sich um ein menschenleeres Gebiet gehandelt hätte. Immerhin werden die Beschreibungen des Wieners Oscar Baumann (1864-1899), der 1885/86 an einer "Congo-Expedition" teilnahm und 1891-1893 eine "Massai-Expedition" leitete, heute als verlässliche und objektive historische Quelle für das afrikanische Alltagsleben vor der kolonialen Einflussnahme geschätzt.

Mit weniger Gespür war Emil Holub (1847-1902) ausgestattet: "Die Schwarzen sind eben Kinder und Kinder brauchen auch bei uns die Ruthe", schrieb er in einem seiner populären Reiseberichte. 1887 kehrte er mit 86 Eisenbahnwaggons voller zusammengeraffter Gegenstände aus Afrika nach Wien zurück. Die dubioseste Figur unter Österreichs Forschern und Entdeckern ist Andreas Reischek (1845-1902), der 1882 auf Neuseeland in einer nächtlichen Plünderungsaktion zwei mumifizierte Maori-Leichname raubte. 1985 wurde eine der Mumien zurückerstattet, die andere war im Lauf der Jahre zu Staub zerfallen.

Eine der interessantesten österreichischen Forschungsreisenden war eine Frau: Auf fünf Reisen durchquerte Ida Pfeiffer (1797-1858) weite Teile Amerikasund Südostasiens sowie Madagaskar, insgesamt 240.000 Kilometer zur See und 32.000 Kilometer zu Land. Anders als ihre männlichen Kollegen schlug sich Pfeiffer, die bis zu ihrem neunten Lebensjahr als Bub aufgezogen worden war, unter großen Entbehrungen alleine durch. Ihre Unternehmungen finanzierte sie mit ihren Reiseberichten. "Wer ähnliche Reisen unternimmt, muss abgehärtet sein wie der Eingeborene. Ich war es, weil ich es wollte", bekannte die selbstbewusste Dame. Zahlreiche von ihr gesammelte Tiere wurden ihr zu Ehren benannt: etwa die Stabheuschreckenart Myronides pfeifferi oder die Meeresnacktschnecke Vaginula idae.

Bis 13. Januar

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