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Emigranten aus Uberzeugung

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Das „Dritte Reich“ trieb eine ansehnliche Schar von Landsleuten internationalen Rufes in die Verbannung.

Mit Genugtuung vernahm man in den letzten Monaten von den vielen Geretteten, Männern der Wissensdiaft, der Dichtung, der Kunst und der Politik, von bedeutenden Frauen, die in den humanen Staaten des Erdenrunds nicht nur Asyl, sondern auch den geziemenden Wirkungskreis fanden. Es gab eine stattliche Anzahl von Österreichern, für die kein politischer oder rassisdier Grund zur Fludit vorlag, die man vielfadi gern zurückgehalten oder zurückgeholt hätte, die aber nichts mit einem Staate des totalitären Irrwahns gemein haben wollten.

Wir wollen hier nur an einige erinnern, die dann ohne viel Aufhebens ihr österreichisches Können und Wesen in Übersee zu hohen Ehren brachten, Charakter und Gesinnung wahrten, trotz ihres einwandfreien Ahnenpasses zur Humanität standen.

Welcher gute Österreicher kennt nicht den Namen des Theresienritters Georg von Trapp, der in seinem ergreifenden Erinnerungsbuch „Bis zum letzten Flaggenschuß“ das Ende der nie besiegten k. u. k. Kriegsmarine, seine eigenen U-Boot-Fahrten sdiildcrte. Mit seiner präditigen Kinderschar und seiner zweiten Gattin hatte er um 1930 die „singende Familie“ gegründet. Viele Konzertbesudier erinnern sidi an den Reigen schlanker Mädchen im ernsten, schwarzweißen Salzburger Kostüm, die unter ihrem ausgezeichneten Dirigenten, Kaplan Franz Wasner, mit feinfühligster Vollendung herrliche A-capella-Chöre sangen. Sie sangen im In- und Ausland, sie sangen vor dem Heiligen. Vater und in Übersee. Da kam die Besetzung Österreichs. Die deutsche Admiralität bot dem berühmten U-Boot-Kommandanten mit heißem Bemühen eine hervorragende Stellung an. Er lehnte ab, verließ mit den Seinen das geliebte Salzburg. Nun wohnen die „Trapp Family Singers“ im Staate Vermount in USA., in einem Hause wie aus dem Pinz-gau, mit Holzveranden und dem Dachreiterlein mit der Glocke, in der „Trapp Family Farm“, von wo sie ihren alten Freunden reizende Weihnachtskarten mit ihren Bildern, und Notleidenden Lebensmittelpaket sandten.

55 CARE-Pakete als Ertrag einer Wohltätigkeitsvorstellung für los ninos vieneses unter dem Patronat der Gemahlin des Präsidenten von Kolumbien, Dofia Herndndez de Ospina, sandte die Wiener Tänzerin Mgd Brunner den begabtesten und bedürftigsten Zöglingen der Schulen, an denen sie einst in Wien gelernt, Sacre' Coeur und Staatsakademie, deren Auszeichnungsdiplom sie sich 1938 ertanzt hatte. Zu rechter Zeit, um ihrem Vater nach Bogota zu folgen, der in Amerika als Fachmann des Städtebaues außerordentliches Ansehen genießt, denn seit 1929 schuf er die Stadtregulierungspläne für Chile, Panama und Kolumbien, die Universitätsstädte Concepci6n in Chile und Medellin in Kolumbien, Städtebaugesetze und Musterbauordnungen. An den Universitäten Santiago und Bogoti ist sein Fadi Städtebau, 'Baukunst und Landschaftsarchitektur. Mitglied des Lehrkörpers der Wiener Tedini-schen Hochschule, hätte Professor Brunner 1939 binnen Jahresfrist auf Anordnung des Reidasministers zurückkehren sollen. Er zögerte die Rückkehr bis zu dem Zeilpunkt hinaus, da der Krieg die Reise unmöglich machte, Als österreichischem Honorarkonsul hatte er das Amtssiegel be-walut und so manchem Emigranten die Einbürgerung in Kolumbien ermöglicht, wo er sofort mit seinem Sohn die Widerstandsbewegung der „freien Österreicher“ erlolg-reich aufzubauen begann. Einer der wenigen Träger des Ghega-Stipendiums, hat er grundlegende Werke seiner Disziplin veröffentlicht, wie „Baupolitik“, „Weisungen der Vogelschau“ und in spanischer Sprache die drei Foliobände seines „Handbuches des Städtebaues“.

Ebenfalls im Staate Vermount lebt eine Österreicherin, die als eine der wenigen Orchesterdirigentinnen internationalen Ruf genießt, die Schülerin von Nilius und Reichwein, Gertrud Hcrliczka. Sie begann im Großen Musikvereinssaal in einem Konzert der Symphoniker, weilte zwei Jahre als Operndirigentin in Augsburg, dirigierte in Prag, Budapest und Paris, die Philharmoniker in Rom und trat dann eine Tournee durch Sowjetrußland an — vierzig Konzerte —, wobei sie in Baku ihren künftigen Gatten Ing. Hofmann, einen bedeutenden Erdölfachmann, kennenlernte. Mit ihm und ihrem Söhnchen übersiedelte sie nach USA, wo sie eine ganz neue Art des musikalischen Unterrichts erfolgreich einführte, um schon die Kinder mit Instrumentation und Orchestermusik vertraut zu machen,

Das abenteuerlichste Leben eines berühmten Fachmannes technischer Wissenschaft führt wohl Professor Dr, Karl T r z a g h i, korrespondierendes Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften, deren Jubiläum er mitfeiern tollte. Wie Professor Brunner, der Sohn eines Rittmeisters bei den Siebener Ulanen, ein Offizierskind, kam er in Prag auf die Welt, wo ein Vater Bataillonskommandant der 2Ser war. Zuerst „Fisolenknabe“, studierte er an der Technischen Hochschule in Graz Brücken- und Eisenbahnbau, an der dortigen Universitlt Geologie und Petrographie. Bei großen Betonfirmen arbeitete er dann im Karst und in Rußland, erwarb 1911 den Doktortitel der Grazer Technik und kam nach zwei Monaten Kriegsdienst zum Vortrag an die Kais. Ottomanische Ingenieur-Hodisdiule in Konstantinopel. Dortselbst setzte er nach Kriegsende seine Lehrtätigkeit am USA-Robert-College fort. 1925 fuhr er nach Amerika, wo er für die „United Fruits Company“ und ihre Anlagen in Süd- und Mittel amerika die Wasserdurchlässigkeit der Urwaldböden untersuchte. Hiebei erfand er die Druckwassersonde. Aber sein Hauptfach ist Erdbaumechanik. Er trägt an der Harvard-University und am Black Mountain College, North Carolina, später auch nodi in Urbana, Illinois, vor. Seine Gutachtertätigkeit, seine Lehrtätigkeit führt ihn durch die ganze Welt, wo immer Riesenbauten — Staudämme, Fabriken — erstehen. Wie ein modernes Märchen mutet sein Weihnaditsbrief an hiesige Freunde 1946 an: „Das war ein bewegtes Jahr! Im Jänner über Labrador, Grönland und Island nach Schweden und zurück, Im Juni quer über den amerikanisdien Kontinent nach Britisdi-Kolumbia und im Oktober um den halben Globus. Ich verließ London am 9. Oktober mit einem RAF-Transport. Erste Nacht in deren Kas-rnc auf Malta, dann Überquerung Palästinas und der arabisdien Wüste. Zweite Nadit in Bagdad. Unerhört sdiöner Flug über den persischen Golf, Karachi, Bombay. Am 15. November in einem Monsun-Sturm nadi Madras. Arbeitszimmer im dortigen Regierungspalast mit Aussidit auf Kokospalmen und den Golf von Bengalen. Drei indisdie Diener kauern den ganzen Tag auf der Türschwelle. Reisen nach dem Godavaristrom. Drei Tage im Spital von Tangore mit Dysenterie. Ziegen, Ratten, Eidechsen und zahllose Insekten im Krankenzimmer. Mit Motorboot in die Schludit der östlichen Ghats, wo sie der Godavaristrom durchbricht. Zwanzig Meilen stromabwärts soll der vielleicht größte Bewässerungsdamm der Welt gebaut werden. Das Hochwasser des Stromes ist viermal größer als das des Mississippi. Wie man es während des Baues abzuleiten vermag, war meine Aufgabe. Eine harte Nuß, aber sie wurde gelöst. Als ich nach Madras zurückkehrte, fand ich einen Brief meiner Gattin vor, daß ich im Jänner zum drittenmal di Goldene Medaille des Amerikanischen Ingenieurvereines bekomme. Das hat sich noch niemals ereignet und gibt ein sdiönes Fest nach Neujahr in New York. Ich verließ Madras am 29. November. Ein Tag in Bombay zum Besuch der Höhlentempcl von Elephanta, dann über Karachi nach Basr und einen Inlandsee bei Bagdad. Zweite Landung auf dem Toten Meer, um 7 Uhr abends auf dem Nil. Sieben Vorlesungen an der Universität Kairo. Weihnaditen in Luxor. In diesem Jahr ist die Zahl meiner Hörer an den amerikanischen und sonstigen Universitäten auf etwa 16.000 angewadisen,“ Zu seinen bewährten Mitarbeitern an den wissenschaftlichen Aufgaben zählt seine Gattin Ruth, die ebenfalls die Harvard Univer-sity absolvierte.

Ehre Österreichs in der Welt sind alle die Genannten, und sie sind nicht die einzigen. Es ist wohl Pflicht in der Heimat, ihrer dankbar und stolz zu gedenken.

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