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Kaiseradler über Mexiko

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SIE ZOGEN NACH MEXIKO. Ein Denkmal für die österreichischen Freiwilligen unter Kaiser Maximilian 1864 bis 1867. Von Edmund Danlek. Amalthea-Verlag, Wien-Mün- chen-Zürich, 1964. 119 Seiten, 15 Bilder, 1 Karte. Band l der ,,Historischen Bildungsreihe“. Preis 68 S. — KAISERADLER ÜBER MEXIKO. Von Felix Gamlllscheg. Verlag Styria, Graz-Köln, 1964. 358 Seiten, 27 Bilder, l Karte. Preis 128 S.

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SIE ZOGEN NACH MEXIKO. Ein Denkmal für die österreichischen Freiwilligen unter Kaiser Maximilian 1864 bis 1867. Von Edmund Danlek. Amalthea-Verlag, Wien-Mün- chen-Zürich, 1964. 119 Seiten, 15 Bilder, 1 Karte. Band l der ,,Historischen Bildungsreihe“. Preis 68 S. — KAISERADLER ÜBER MEXIKO. Von Felix Gamlllscheg. Verlag Styria, Graz-Köln, 1964. 358 Seiten, 27 Bilder, l Karte. Preis 128 S.

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Mexiko vor 100 Jahren: Wie viele werden darüber staunen, daß heute Bücher erscheinen, die in so weite Ferne zurückblicken, und doch ist dieses alte Mexiko für Österreich von großem Interesse geblieben. Edmund Daniek will „ein Denkmal für die österreichischen Freiwilligen unter Kaiser Maximilian 1864 bis 1867“ setzen und umreißt zu diesem Zweck in großen Linien die Geschichte der kurzen Regierungszeit Maximilians I. in einem dauernd von Fieber geschüttelten Land. Wie der Autor vermerkt, träumte dieser Habsburger von einem großen Habsburgischen Doppelkaiserreich Mexiko-Brasilien, das auf einer Karte entworfen ist. Es war wirklich nur ein Traum, und das mexikanische Kaiserreich brach in Kürze zusammen, als ihm Frankreich die militärischen Machtmittel entzog und Nordamerika für die Republik Partei ergriff. Danieks Schilderungen zeichnen sich durch große Klarheit aus und ermöglichen es dem Leser, sich ein vollkommenes Bild von der damaligen „Expedition“ zu bilden, die aber eher als ein Abenteuer in die Geschichte eingegangen ist. In vorbildlicher Kürze sind die Abkehr Napoleons III. von dem in Not geratenen Maximilian und das unwiderrufliche Nein Frankreichs zu erbetener Hilfeleistung, das System des allgewaltigen Bazaine, die durch Juarez’ Kirchengüterkonfiskation entstandene Zwangslage und die abstoßende Verräterrolle des Obersten Lopez erläutert. Die vorzüglich illustrierte Publikation eröffnet als Band 1 die „Historische Bildungsreihe“ des Amalthea-Veriages.

Felix Gamillscheg behandelt denselben Stoff, doch ausgeweitet durch die Verwertung bisher unbekannter Quellen, besonders der Briefe des Obersten von Kodolitsoh, einer Schlüsselfigur im Gefolge Maximilians. Von diesen Briefen sagt zwar der Autor, daß sie „in der oder jener Einzelheit nicht der Kontrolle des Historikers standhalten“, trotzdem werfen sie viel neues Licht auf bisher umstrittene Vorfälle. Kodo- litsch war Weltmann, Lebenskünstler, Landsknecht und Haudegen in einer Person, und seine ein bewegtes Dasein wiedergebende Biographie ist zugleich die Geschichte des „Kaiserlich mexikanisch-österreichischen Freiwilligenkorps“, dem rund 9000 Österreicher angehörten. Nach dem Scheitern Maximilians kehrten nur mehr 3600 Österreicher heim, die übrigen waren gefallen, gestorben oder im Land zurückgeblieben. Der oberste Befehlshaber in Mexiko, Marschall Bazaine, erließ an die scheidenden Österreicher am 25. Jänner 1867 einen Abschiedsbefehl, in welchem er die Leistungen der Freiwilligen in den Jahren 1865 und 1866 würdigte. „Nicht weniger als 40 größere Gefechte zählte der Marschall auf. Diese Aufzählung, die noch eine bedeutende Anzahl minder hervorragender Aktionen mit Stillschweigen übergehe, sei ein neues Blatt des Ruhmes in den Annalen der österreichischen Armee.“

Mit dem unglücklichen Kaiser befaßt sich der Autor nicht unmittelbar, aber bei jeder Gelegenheit zeigt sich die seelische Größe dieses Monarchen. Oftmals gedrängt, die Krone niederzulegen, erklärte er: „Entweder ich siege, und zwar nur mit der Absicht, für das Wohl der Nation zu arbeiten, oder ich gehe unter, was in Ehren jedenfalls glänzender und besser ist als das faulende Abwirtschaften, wie es uns mancher Souverän Europas zeigt. Untergehen ist keine Schande. Abwirtschaften mit den Mitteln der Prosperität und des Sieges in der Hand, ist eine Schmach.“ Als man ihm am Schluß der Tragödie nahelegte, sich durch Flucht in Sicherheit zu bringen, wies er ein solches Ansinnen als mit seinem den Mexikanern gegebenen Wort unvereinbar zurück und nahm das Todesurteil gefaßt entgegen. Dieses lautete auf „Verbrechen gegen die Nation, das Völkerrecht, die Ordnung und den öffentlichen Frieden“. Wie groß die Achtung war, die sich Maximilian in aller Welt erworben hatte, bewies das Bemühen „selbst der großen Freunde der mexikanischen Republikaner, Victor Hugo und Gui- seppe Garibaldi“, ein Todesurteil zu verhindern, was einer Aktion der europäischen Diplomaten ebensowenig gelang.

Vielen Lesern wird wahrscheinlich der Gedanke kommen, wozu das mexikanische Unternehmen so viele Opfer gebracht hat und wo der immer gerne gesuchte „Sinn der Geschichte“ liegen mag. Maximilian I. wurde mit seinen treu ge bliebenen Generalen Miramon und Mejia erschossen, seine Gemahlin Charlotte verfiel dem Irrsinn, Napoleon III., der geistige Vater der Thronerhebung Maximilians, verlor die eigene Krone und starb als Emigrant, Kaiserin Eugenie, die sich ganz besonders für die Expedition erwärmt hatte, beendete ihr Leben einsam in der Fremde, und Marschall Bazaine fand ebenfalls den Tod als Flüchtling. Das sind die Opfer der Großen, doch auch den Kleinen, den vielen gutgläubigen Freiwilligen wurde hart mitgespielt, und nur ganz wenigen blieb das Schicksal gnädig. Oberst von Ko- dolitsch, zuletzt kaiserlicher Flügel- adjudant, kehrte nach Österreich heim, wurde Militärattache, dann Oberst-Regimentskommandant und konnte mit dem Generalstitel in den Ruhestand treten. Der Triumph gehörte dem eingeborenen Republika ner Juarez, der sich als Sieger des Legitimen über die europäische „Usurpation“ fühlen konnte. Es bleibt natürlich die Frage offen, ob nicht auch bei vertauschten Rollen, nämlich einer heimischen bodenständigen Monarchie der Sieg über eine gewaltsame republikanische Überfremdung hätte zufallen müssen.

Wir wollen noch hervorheben, daß Gamillschegs Buch vielerlei Berichte über Land und Leute Mexikos enthält, Schilderungen des Lebens der Indianerstämme mit ihrer Grausamkeit im Kampf neben hohen Ehrbegriffen, Momentaufnahmen der Naturschönheiten, doch auch der Primitivität der Städte und Dörfer, in dem seit Jahrzehnten von einem Chaos in das andere gestürzten Staates. Alles in allem ist das 1963 mit dem Kardinal-Innitzer- Preis ausgezeichnete, sehr verdienstvolle Werk in jeder Beziehung anregend zu lesen, es ist bildend und so richtig für Österreicher bestimmt.

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