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Der sterkende Kaiser

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Am 19. Juni jährte sich zum 90. Male der Tag, da Kaiser Maximilian von Mexiko in Queretaro erschossen wurde. Wir bringen im folgenden einen Auszug aus dem berühmten Buch des österreichischen Historikers Conte Corti „Tragödie einet Kaisers”, erschienen in 4. Auflage im Verlag Kremayr & Scheriau, Wien.

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Am 19. Juni jährte sich zum 90. Male der Tag, da Kaiser Maximilian von Mexiko in Queretaro erschossen wurde. Wir bringen im folgenden einen Auszug aus dem berühmten Buch des österreichischen Historikers Conte Corti „Tragödie einet Kaisers”, erschienen in 4. Auflage im Verlag Kremayr & Scheriau, Wien.

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Das Kriegsgericht hat getagt. Drei Richter stimmen für den Tod des Kaisers, drei für lebenslängliche Verbannung. So hat denn der junge Vorsitzende Stabsoffizier zu entscheiden. Leichten Herzens spricht er es aus: Tod.

So ist der Prozeß uhglücklich ausgegangen. Fluchtmöglichkeit gibt es keine mehr.

Kaiser Maximilian hat vom Spruch des Kriegsgerichtes gehört und bestellt sein Haus:

„Meine letzten Wünsche betreffen nur noch meinen Körper, der bald von allen Schmerzen befreit sein wird, und dann meine Anhänger, die mich überleben werden. Der Arzt Dr. Basch wird meine Leiche nach Verakruz überführen lassen. Es ist mein Wille, daß dies ohne jede Feierlichkeit und Prunkentfaltung vor sich gehe und daß auf dem Schiff, das meine Leiche nach Europa bringen soll, keine besondere Zeremonie stattfindet. Ich erwarte den Tod mit Ruhe und wünsche deshalb, daß auch um meinen Sarg Ruhe sei. Sollte sich das Gerücht über das Ableben meiner armen Frau nicht bewahrheiten, so soll meine Leiche vorläufig irgendwo beigesetzt werden, bis die Kaiserin mit mir im Tode vereint ist.”

Ein inspizierender Offizier findet sich indes ln der Zelle ein. „Bitte”, spricht ihn Maximilian

JüliifajHinrichtung Auswahl , Sie- sollen nicht auf raeinsįn Köpf schießen, aber mein Herz gut und sicher treffen. Denn es paßt sich nicht für einen Kaiser, sich in Todeszuckungen auf dem Boden herumzuwälzen. “

Der Leibarzt Dr. Basch ist Tag und Nacht bei Maximilian. Er sieht mit tiefem Schmerz den „lebendigen Toten” die Vorbereitungen für sein Ende treffen. Die wenigen Gegenstände, die der Kaiser noch besitzt, verteilt er unter seine Verwandten und Freunde. Für den 16. Juni ist der Vollzug des Urteils angesętzt. Um elf Uhr vormittag erscheint ein General in Begleitung eines Obersten und einer Abteilung Soldaten und liest dem Kaiser ebenso wie den Generalen Miramon und Mejia das Todesurteil vor. Um drei Uhr nachmittag soll die Hinrichtung stattfinden. Die letzten Stunden verrinnen mit letztwilligen Verfügungen und Gesprächen des Kaisers mit dem Geistlichen und den beiden Verteidigern. Die Verurteilten haben gebeichtet und kommuniziert. Der Kaiser ist ganz ruhig. Nur eine ihm eigentümliche Bewegung, das Wegstreichen des Bartes aus dem Gesicht, die er heute häufiger als gewöhnlich vornimmt, verrät die Anspannung seiner Nerven.

Da schlägt es vom Turm drei. Niemand ist noch gekommen, die Verurteilten abzuholen, obwohl man draußen Bewegung und Kommandorufe hört. Eine Viertelstunde nach der anderen verrinnt unter qualvollem Warten. Endlich um vier Uhr erscheint Oberst Palacio mit einem Telegramm aus San Luis in der Hand. Ein Hoffnungsstrahl geht über die bleichen Züge des Kaisers. Das kann nur die Begnadigung sein. Es ist aber bloß ein Aufschub von drei Tagen, das einzige Zugeständnis, zu dem sich Juarez, der republikanische Präsident und Gegenspieler Maximilians, herbeigelassen hat. Tiefe Enttäuschung durchschauert den Kaiser: er empfindet den Aufschub peinlich: wenn es durchaus sein muß, so soll das Unvermeidliche rasch geschehen. Dennoch regt sich in seinem Innern noch eine schwache Hoffnung. Vielleicht bringen die folgenden Tage oder sogar Stunden gute Kunde. Während aber Maximilian die Hoffnung nur leise in seinem Herzen aufglimmen läßt, sieht ihn Salm schon gerettet, und selbst Oberst Palacio und andere Liberale halten den Aufschub für den ersten Schritt zur Begnadigung. Nun beschließt’ der preußische Gesandte als Aeltester des diplomatischen Korps noch einen letzten Versuch. „Herr Präsident”, telegraphiert er an Juarez, „die Verurteilten sind, da sie unmittelbar vor der Hinrichtung zu stehen glaubten, nun moralisch schon zum Tode verurteilt worden. Ich bitte Sie, lassen Sie sie nicht zum zweitenmal sterben. Ich beschwöre Sie im Namen der Menschlichkeit und des Himmels, anzubefehlen, daß man nicht mehr an ihr Leben gehe, und wiederhole Ihnen nochmals, daß ich gewiß bin, daß mein Souverän, Seine Majestät der König von Preußen, und alle Monarchen Europas, durch die Bande des Blutes mit dem gefangenen Fürsten verwandt, nämlich sein Bruder, der Kaiser von Oesterreich, seine Kusine, die Königin von Großbritannien, sein Schwager, der König der Belgier, und seine Kusine, die Königin von Spanien, wie die Könige von Italien und Schweden, sich leicht verständigen werden, um seiner Exzellenz dem Herrn Benito Juarez alle Garantien zu geben, daß keiner der Gefangenen je zurückkehren und mexikanisches Gebiet betreten wird.”

Das ist sehr gut gemeint, aber es ist nicht glücklich, Juarez vor Augen zu führen, daß ein Wink von ihm genügt, den „Cousin Europas” allen Monarchen der Alten Welt zum Trotz vom Leben zum Tod zu befördern.

Wenn der dreitägige Aufschub etwa der Ausdruck eines Schwankens des Präsidenten gewesen war, so hat er während dieser Zeit seine Härte wiedergewonnen. Das Telegramm des preußischen Gesandten bestärkt ihn in seinem

Nun lauft auch ein Telegramm von Maximilian selbst ein: „Ich erbitte die Begnadigung der Generale Miramon und Mejia und wünsche, das einzige Opfer zu sein.” Aber auch der Edelmut Maximilians rührt den Präsidenten nicht. Alle Briefe und Telegramme werden ablehnend beantwortet. Alle Hoffnung schwindet dahin, der Kaiser rüstet zum Tode. Das Bewußtsein, stets nur Gutes gewollt zu haben, die auch in seinem Verteidigungsmemoire angeführte Erwägung, daß man ihm doch den guten Glauben nicht absprechen könne, stärkt ihn in diesen schweren Stunden und gibt ihm die Kraft, sein Schicksal heldenmütig zu tragen. Er empfiehlt der kaiserlichen Familie in Wien die Witwen seiner beiden Leidensgenossen und richtet die Mahnung an Juarez: „Mein Blut möge das letzte sein, das vergossen wird. Lassen Sie fortan den Geist der Versöhnung walten, Herr Präsident, um dem unglücklichen Lande Frieden und Ruhe wiederzugeben.”

General Escobedo, dem Mejia einmal das Leben gerettet hat, erinnert sich dessen und verspricht, seinen ganzen Einfluß aufzubieten, um ihn aus seiner Lage zu befreien. Mejia gibt dem Edelmut seines Kaisers in nichts nach. Obwohl ihm seine junge, heißgeliebte Gattin eben erst ein Kind geschenkt hat, erklärt er, eine Begnadigung nur für den Fall annehmen zu wollen, daß auch der Kaiser und Miramon gerettet würden. Als Escobedo sich außerstande erklärt, dies alles zu erreichen, ruft Mejia aus: „Gut, dann erschieße man mich mit Seiner Majestät!”

Am Vorabend der Hinrichtung — der Kaiser schläft bereits — erscheint Escobedo, um sich zu verabschieden. Maximilian wird geweckt, spricht einige Minuten mit dem General, gibt ihm sein Bild mit eigenhändiger Unterschrift und legt ihm ans Herz, sich für die Wohlfahrt Mexikos einzusetzen.

So kommt der Morgen des 19. Juni 1867 heran. Strahlend geht die Sonne auf, blauer Himmel überspannt das weite Tal.

Bis drei Uhr früh hat der Kaiser traumlos geschlafen, dann erhebt er sich, und Pater Soria .Mitverurieilten. sehen, tdie wenigen noch verbliebenen Anhänger des Kaisers die drei dem Tode geweihten Männer in den heiligen Augenblicken der Wandlung das Knie beugen und den ihnen in Rührung gespendeten Segen entgegennehmen. Die Zeugen dieser Szene schluchzen laut auf, und der Kaiser ist es, der sie mit dem Hinweis auf Gottes unerforsch- lichen Ratschluß zu beruhigen sucht. Dann zieht er seinen Trauring vom Finger, übergibt ihn Dr. Basch zugleich mit einem Rosenkranz und einem Skapulier, das er einst von seinem Beichtvater Pater Soria erhalten hat. Basch soll die Gegenstände mit des Sohnes letzten Grüßen der Erzherzogin Sophie bringen; die kleine Madonnenmedaille, die ihm einst Kaiserin Eugenie mit dem Wunsche gegeben hat, sie möge ihm Glück bringen, bestimmt er der Kaiserin von Brasilien.

Bis zum letzten Augenblick denkt der Kaiser an alle ihm Nahestehenden. Dann tritt er vor die Zellen der beiden Generale: „Sind Sie bereit, meine Herren? Ich bin. schon fertig.” Maximilian umarmt sie. „Bald sehen wir uns im Jenseits wieder.” Miramon ist ruhig und gefaßt wie der Kaiser, Mejia, durch Krankheit und den Gedanken an seine junge Gattin geschwächt, kann sich kaum auf den Füßen halten.

Der Kaiser, in schwarzem Zivilanzug, geht die Treppen hinunter, bleibt auf der letzten Stufe stehen, sieht die Natur in ihrer vollen Pracht und ruft: „Welch ein herrlicher Tag, ich habe mir stets gewünscht, in strahlender Sonne zu sterben.”

Dann werden die Wagen bestiegen, die die Verurteilten zur Richtstättp. dem Cerro de la Campana, führen. Es ist der Ort, wo man den Kaiser gefangengenommen hat. Eine starke Abteilung Kavallerie und Infanterie begleitet den Wagen, unmittelbar dahinter marschiert die Exekutionsmannschaft. Tiefe Stille herrscht überall, wo der Zug vorbeikommt. Türen und Fenster von Queretaro sind zum Zeichen der Trauer geschlossen, die wenigen Leute in den Straßen sind schwarz gekleidet und zeigen tiefernste Mienen. Man sieht Frauen weinen, die mitansehen, wie Mejias junges Weib mit dem Säugling in den Armen wehklagend dem Zug zu klammebn, der ihren Gatten wegführt.

Hochaufgerichtet geht Maximilian die hundert Schritte den Hügel hinauf, aufrecht neben ihm auch Miramon, nur Mejia, kaum mehr seiner Sinne mächtig, muß geschleppt, fast getragen werden. Oben stehen die Truppen auf drei Seiten formiert, die vierte ist durch eine niedere Steinmauer abgesperrt. Dorthin werden die Gefangenen geführt und mit dem Gesicht gegen die Stadt Queretaro gestellt, die friedlich im Sonnenschein daliegt.

Den Truppen, deren man augenscheinlich nicht ganz sicher ist, wird ein scharfer’ Befehl vorgelesen, daß jeder, der zugunsten des Kaisers die Hand rührt, augenblicklich miterschossen wird. Schweigend verharren die wenigen Zuschauer. Der Kaiser sieht sich wie suchend um, ob keiner seiner Freunde anwesend sei. Sein Platz ist ihm in der Mitte zwischen den beiden Generalen angewiesen.

Da wendet er sich an Miramon: „General, ein Tapferer muß auch angesichts des Todes von seinem Monarchen geehrt werden. Gestatten Sie, daß ich Ihnen den Ehrenplatz überlasse.” Mit diesen Worten läßt er ihn in die Mitte treten. Dann zu Mejia: „General, was auf Erden nicht belohnt wird, wird es gewiß im Himmel.”

Die zur Abgabe der Todessalven bestimmten Mannschaften treten an. Der Offizier, der den Befehl zum Feuern zu erteilen hat, stammelt, offenbar von peinlichen Gefühlen bewegt, zum Kaiser gewendet, einige Worte, die wie eine Entschuldigung klingen. Maximilian dankt für das Mitleid: „Sie sind Soldat, Sie müssen gehorchen.” Dann gibt er jedem der ihm gegenüberstehenden Soldaten eine Goldunze, mit der Bitte, sie möchten gut zielen. Er tritt auf seinen Platz zurück, wischt den Schweiß von der Stirne, gibt Taschentuch und Hut seinem getreuen Diener Tüdös, damit er sie seiner Mutter und seinen Brüdern in die Heimat bringe. Dann erhebt Maximilian die Stimme. Erschauernd vernehmen alle Umstehenden klar und deutlich die spanischen Worte: „Ich vergebe allen, bitte, daß auch mir alle vergeben, und wünsche, daß mein Blut, das nun vergossen wird, dem Lande zum Wohl gereichen möge. Es lebe Mexiko, es lebe die Unab …”

Da senkt der kommandierende Offizier den erhobenen Säbel, sieben Schüsse krachen, und Kaiser Maximilian fällt, mit dem Gesicht voran, leise das Wort „hombre” flüsternd, von fünf Schüssen durchbohrt zu Boden. Leichtes Zucken verrät, daß noch Leben in ihm ist. Der Offizlei, der den Befehl zum Feuern gegeben, eilt zu dem Körper des Gefallenen, wendet ihn mit der Waffe um und zeigt mit der Säbelspitze stumm auf das Herz des Kaisers. Ein Soldat gibt aus nächster Nähe einen Schuß auf die bezeichnete Stelle ab, der die Kleider des unglücklichen Monarchen zum Glimmen bringt und ihm den Tod gibt.

Nach Maximilian kommt die Reihe an Mira- mon, der aufrecht mit weithin schallender Stimme jeden Vorwurf von Verräterei von sich weist und Mexiko sowie den Kaiser leben läßt. Mejia vermag nur noch ganz schwach „Es lebe Mexiko, es lebe der Kaiserl” zu rufen, dann kommt auch dieses Tapferen letzter Augenblick. So sind der Kaiser und seine’beiden getreuen Paladine gefallen. Freund und Feind zieht vor dieses Habsburgers Art zu sterben den Hut; er hat nur das Gute und Hohe gewollt. Für sein Irren zahlt er mit seinem Leben. Die ihn aber so weit gebracht, sehen in sicherer Ferne dem Ausgang des Dramas zu. Wenig später steht Juarez in Queretaro an der einbalsamierten Leiche Maximilians. Des Indianers Härte und Zähigkeit haben über das weiche, vom Ehrgeiz getragene und von Idealen durchwärmte Gemüt Maximilians gesiegt. Der Erfolg ist auf des Präsidenten Seite, das Mitgefühl, ja die Bewunderung aller Herzen sind auf seiten des Kaisers, der so mannhaft in den Tod gegangen ist.

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