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Österreicher in Puebla und Guadelupe

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Guadelupe, Puebla, Oajaca - Namen, die hierzulande kaum jemand kennt; Namen, die plötzlich Gestalt annehmen dutch die Reise des Papstes nach Mexiko. In Guadelupe, dem mexikanischen Mariazell, startete die Konferenz der südamerikanischen Bischöfe, in Puebla wird sie tagen. Ein Besuch in Oajaca steht mit auf dem Programm. Namen wie tausend andere zwischen dem Rio Grande del Norte und Feuerland — Namen aber auch, zu denen Österreich eine besondere Beziehung besitzt: Hier kämpften die Freiwilligen des Kaisers Maximilian gegen die Partisanen der Republik. Und innerhalb des österreichischen Freikorps nahmen polnische Ulanen eine besondere Stellung ein.

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Guadelupe, Puebla, Oajaca - Namen, die hierzulande kaum jemand kennt; Namen, die plötzlich Gestalt annehmen dutch die Reise des Papstes nach Mexiko. In Guadelupe, dem mexikanischen Mariazell, startete die Konferenz der südamerikanischen Bischöfe, in Puebla wird sie tagen. Ein Besuch in Oajaca steht mit auf dem Programm. Namen wie tausend andere zwischen dem Rio Grande del Norte und Feuerland — Namen aber auch, zu denen Österreich eine besondere Beziehung besitzt: Hier kämpften die Freiwilligen des Kaisers Maximilian gegen die Partisanen der Republik. Und innerhalb des österreichischen Freikorps nahmen polnische Ulanen eine besondere Stellung ein.

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In den ersten Wochen des Jahres 1865 landeten in mehreren Transporten die Österreicher des Freikorps in Veracruz, dem wichtigsten Hafen der Ostküste. Die Erlaubnis, Freiwillige zu werben, war eines der wenigen Zugeständnisse des Kaisers Franz Josef gewesen, als sein Bruder Ferdinand Max dem Drängen Napoleons III. und seiner eigenen Frau, der Belgierin Charlotte, nachgab und die mexikanische Kaiserkrone annahm.

Seit drei Jahren standen die französischen Interventionstruppen, vorwiegend Fremdenlegion und Zuaven, in einem heftigen Kampf gegen die Untergrundkämpfer des Indianer-Präsidenten Benito Juarez, der mit der Streichung der Staatsschulden gegenüber den europäischen Großmächten deren Zorn erregt hatte. Nun sollte ein Herrscher aus Europa die Lage stabilisieren. Das Ende des „mexikanischen Abenteuers“, die Erschießung Maximilians in Queretaro am 19. Juni 1867, ist in die Literatur eingegangen.

Die rund 8000 Österreicher, die in diesen zwei Jahren das Rückgrat der kaiserlichen Streitkräfte bildeten, stellten zwei Kavallerie-Regimenter, Husaren und Ulanen, zwei Jägerregimenter, dazu die nötige Artillerie, Pioniere und Versorgungstruppen -alles zusammen ein abenteuerlicher Haufen, zusammengewürfelt aus Landsknechten ebenso wie aus Romantikern, aus gescheiterten Existenzen ebenso wie aus jungen Idealisten, die in Ubersee das Abenteuer wie eine neue Heimat suchten. In den Führungslisten der Offiziere, die heute im Kriegsarchiv in Wien aufbewahrt werden, finden sich die Namen vieler alter Adelsgeschlechter der Monarchie - Thun, Auersberg, Metternich, Wickenburg, Kheven-hüller, Sternberg, Geldern, Herberstein, Zicky. Unter den Unteroffizieren und Mannschaften waren alle

Völkerschaften des Kaiserreichs vertreten.

Militärische Hauptaufgabe der Österreicher sollte es sein, die Verbindung zwischen Veracruz und der Hauptstadt zu sichern, eine Strecke, über die erst zum Teil eine Eisenbahn führte. Sonst gab es nur katastrophal schlechte Bergstraßen, die leicht von Guerrilleros zu unterbrechen waren. Den ersten erfolgreichen Einsatz führte der Kommandant des Husarenregiments, Major Alfons von Ko-.dolitsch, am 6. Februar 1864 gegen das Bergdorf Tesuitlan, nördlich der wichtigen Verbindungsstraße, das er nach kurzem, heftigen Widerstand einnehmen konnte.

Hier schon mußte er die Taktik der Mexikaner feststellen - kurzer Widerstand, wenn überhaupt, in den Ortschaften, Rückzug in die Wälder, von wo aus dann unverhofft rückwärtige Stellungen oder kleinere Truppenverbände überfallen wurden. Dieselbe Taktik, die achtzig Jahre später in den Wäldern Weißrußlands und den Bergen Bosniens erneut zum Erfolg gebracht wurde.

Trotzdem wurde der Erfolg von Tesuitlan in der Hauptstadt mit Jubel zur Kenntnis genommen. Kodolitsch wurde als erster Österreicher mit dem Offizierskreuz des neugestifteten Guadelupe-Ordens ausgezeichnet - er blieb auch bis zum Ende des Korps der höchstdekorierte Offizier. In einem Brief an seine Mutter schrieb er: „Du weißt, daß am Guade-lupe-Orden das Bildnis unserer Lieben Frau von Guadelupe sich befindet, was mir den Orden doppelt lieb macht!“

Guadelupe - das meist verehrte Heiligtum der Mexikaner, nördlich der Hauptstadt. Auch wenn die heutige Wallfahrtskirche erst in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts vollendet wurde, war Guadelupe doch auch zur Zeit Maximi-

lians das Ziel zahlloser Wallfahrten. Die Legende erzählt, daß 1531 der Indianerknabe Juan Diego bei dem Hügel, auf dem heute die Kirche steht, eine Erscheinung der Muttergottes hatte. Sie forderte ihn auf, dem Bischof mitzuteilen, daß ihr zu Ehren dort eine Kapelle errichtet werden solle.

Als der Bischof dem Buben nicht glaubte, habe die Madonna auf dem kahlen Hügel, der sonst nur Kakteen trug, Rosen wachsen lassen. Und auf dem Poncho, in den Juan Diego die Rosen sammelte, habe sich das wundersame Bildnis der Muttergottes abgebildet, das seither als Reliquie verehrt und nun .im Hochaltar der Wallfahrtskirche aufbewahrt wird. 1754 wurde die Madonna von Guadelupe von Rom zur Schutzpatronin Mexikos erhoben und der 12. Dezember zu ihrem Fest proklamiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Wien daran ging, seinen Stephansdom wieder aufzubauen, übermittelten die Katholiken Mexikos den Österreichern eine Kopie des Gnadenbildes zur Erinnerung daran, daß Mexiko der einzige Staat gewesen war, der die Annexion vom März 1938 nicht achselzuckend zur Kenntnis genommen hatte. Das Bild fand in der Votivkirche Aufstellung, die dem Gedächtnis beider Kaiserbrüder gewidmet war.

Damals jedoch, zur Zeit des Kaiserreichs, waren die Beziehungen zwischen den Mexikanern und den Österreichern eher gespannt, auch wenn sich Maximilians Herrschaft

„Kopf an Kopf standen die Menschen, um den Kaiser und seine schöne Frau zu sehen; aus Fenstern und von Baikonen herunter winkten die Pueblaner dem Paar zu“

zunächst auf eine gewisse einheimische Führungsschicht stützen konnte. Die Verwendbarkeit der einheimischen Truppen dagegen hing weitgehend davon ab, wer gerade die Oberhand hatte: ein Uberwechseln ganzer Truppenteile von einer Partei zur anderen war nichts besonderes

Während dieser ganzen Zeit - Frühjahr 1865 bis Herbst 1866 - lag der Korpsstab des österreichischen Freikorps in Puebla, von wo aus die Einsätze dirigiert wurden, bis nach Yu-catan im Osten, Oajaca im Süden, Ma-tamoros im Norden an der Grenze zu den USA.

„La Puebla de los Angeles“, das „amerikanische Rom“, wie Ernst von Hesse-Wartegg die Stadt nennt, sei, wie die Legende erzählt, mit Hilfe von Engeln aufgebaut worden. „Stets, wenn die Arbeiter ihr Mittagsschläfchen hielten, und auch zur Nachtzeit sah man weißgekleidete Engeischaaren durch die Thürme herniederschweben, zu Kelle und Hammer greifen und die unterbrochene Arbeit fortsetzen.“

Der deutsche Reisende, der 20 Jahre nach dem Kaiserreich Mexiko durchforschte, schildert weiter: „Schon aus der Ferne sahen wir die zahlreichen Thürme und glänzenden Porzellankuppeln des amerikanischen Rom über das saftige Grün der Puebla umgebenden Gärten emporragen. Bei ihren 70.000 Einwohnern hat die Stadt nicht weniger als 60 Kirchen, und man kann sich deshalb den Anblick, den sie gewährt, vorstellen.“

Noch während des Bürgerkriegs hatte die republikanische Regierung die Stadt nach dem General, der sie 1862 erfolgreich gegen die Franzosen verteidigt hatte, in „Puebla de Zaragoza“ umbenannt. Heute zählt die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz fast 400.000 Einwohner und ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, eine Stadt mit Universität, Museen und Industrie.

Damals lag ihre Bedeutung mehr in

der strategischen Lage im Mittelpunkt des vom Kaiserreich beherrschten Gebietes. 1862 hatte Zaragoza die Festung noch mit Erfolg gegen die französischen Interventionstruppenhalten können, ein Jahr später blieb die Fremdenlegion Sieger, Anfang 1865 zogen die Österreicher ein. |

Am 6. Juni kam der Kaiser selbst am Ende einer Rundreise durch das Besatzungsgebiet des österreichischen Korps nach Puebla. An einem strahlend schönen Sonntagmorgen wurde das Kaiserpaar an der Stadtgrenze von der Stadtverwaltung, dem Kommandanten der Österreicher, General Thun, und Oberstleutnant Kodolitsch - er war nach Tesuitlan befördert worden - empfangen, und zog „durch ein dichtes Spaüer von Eingeborenen, durch einen Wald von mexikanischen, österreichischen, französischen und belgischen Fahnen in die Stadt“ ein, wie Kodolitsch nach Hause berichtete. „Kopf an Kopf standen die Menschen, um den Kaiser und seine schöne Frau zu sehen, aus Fenstern und von Balkons herunter winkten die Pueblaner dem Paar zu. Fußhoch lagen Blumen auf der Straße und verbreiteten einen betäubenden Duft“

Keine zwei Jahre später hatte sich das Blatt total gewendet. Wieder stand die Festung Puebla im Mittelpunkt eines entscheidenden Ereignisses. Das Kaiserreich war zusammengebrochen, Maximilian mit dem Großteil seiner letzten Getreuen in Queretaro eingeschlossen. In Puebla verteidigte sich eine letzte Garnison von Kaiserlichen gegen die Republikaner unter Porfirio Diaz.

Aus der Hauptstadt wollte General Marquez Entsatz bringen, er zögerte zu lange. Die Stadt fiel, bevor er sich ihr genähert hatte. Nur der Einsatz der in die kaiserliche Nationalarmee übergetretenen Österreicher verhinderte das totale Chaos und noch grö-

ßere Verluste auf dem Rückzug nach Mexiko.

Im Rahmen des österreichischen Freikorps hatte sich das Ulanenregiment zu einem guten Teil aus Polen zusammengesetzt, Insurgenten von 1863, die nach der Niederschlagung ihres Aufstandes gegen die Russen auf österreichischem Boden interniert worden waren und die Gelegenheit ergriffen hatten, sich in Mexiko eine neue Existenz aufzubauen.

Einer dieser Polen, Hauptmann Ladislaus von Kopystynski, ein Gali-zier, der schon 1849 in Ungarn und 1859 in Italien in der kaiserlichen Armee gekämpft hatte und dann als Major in den mexikanischen Generalstab eintrat, richtete ein Memorandum an Maximilian, in dem er die Gründung „Neupolens“ in den nördlichen Provinzen Mexikos, Nueva Leon und Tamaulipas anregte.

Die Finanzierung könne, meinte er, aus den geheimen Fonds der polnischen Exilregierung erfolgen, aber auch durch Sammlungen und Anleihen. In Warschau, Lemberg und Posen sollten Komitees zur Auswanderung gebildet werden, denn auch Rußland und Preußen wären sicher froh, die polnischen Unruhestifter loszuwerden.

Aus den polnischen Elementen im österreichischen Freikorps und polnischen Offizieren könne eine polnische Legion in der Tradition Henryk Dabrowskis, des Freiheitshelden der napoleonischen Zeit, gebildet, damit „die Regeneration Mexikos durch Polen und Polens durch Mexiko“ erreicht werden, schloß Kopystynski, mit dessen Schreiben das Wiener Kriegsarchiv die letzte Erinnerung an jene Träume aufbewahrt hat.

In diesen Tagen aber leitete ein Papst aus Polen eine Tagung ein, die zur geistigen Regeneration nicht nur Mexikos, sondern des ganzen Kontinents führen sollte.

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