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Der Kaiseradler über Mexiko

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Als vor einigen Jahren Roberto de Rosenzweig-Diaz als Botschafter Mexikos in Wien seinen Dienst antrat, war hier eine seiner ersten (privaten) Aktivitäten, seinem Großvater nachzuforschen, der einst, rund 120 Jahre vorher, im Dienst des Kaisers Maximilian nach Mexiko gekommen und dort hängengeblieben war.

Ferdinand von Rosenzweig war schon 43 Jahre alt, als er sich - Veteran der Feldzüge von 1848, 1849 und 1859 — erneut meldete, um im österreichischen Freicorps seine militärische Laufbahn fortzusetzen. Er wurde als Major-Corps-Intendant übernommen und landete im April 1865 mit 7000 Landsleuten in Veracruz.

Mexiko war seit der Unabhängigkeitserklärung jahrzehntelang von Bürgerkriegen erschüttert worden. Als Benito Juarez als Präsident die Rückzahlung gigantischer Schulden an die europäischen Staaten einstellte, schickte Frankreichs Kaiser Napoleon III. seine Fremdenlegion über den Ozean, um die Interessen seines Landes wahrzunehmen. Ein Kaiser von seinen Gnaden sollte das Land befrieden. Der Bruder des Kaisers Franz Joseph, Erzherzog Ferdinand Max, stellte sich dafür zur Verfügung.

Freiwillige aus der Monarchie wie aus Belgien, der Heimat der neuen Kaiserin Charlotte, sollten — neben den französischen Truppen — das Rückgrat der kaiserlichen Streitmacht bilden.

Es war ein wilder Haufen, der zwischen Silvester 1864 und April 1865 in Veracruz an Land ging. Nicht zu Unrecht galten in der Heimat das Freicorps und die Nationalarmee als Sammelbecken gescheiterter Existenzen, als Zufluchtsort für Offiziere, die zu Hause wegen Schulden oder Ehrenhändeln hatten quittieren müssen. Aber es gab ebenso auch Idealisten, Phantasten unter ihnen, die daran glaubten, sich selbst dort eine neue Heimat aufbauen zu können.

Aus allen Teilen der Monarchie, aus Russisch-Polen —Aufständische von 1863 —, aus der Walachei, aus der erst 1859 italienisch gewordenen Lombardei und vielen anderen Ländern kamen Offiziere und Unteroffiziere, die glaubten, in Mexiko schneller Karriere machen zu können. Die Offizierslisten lesen sich wie der Gotha der Adelsfamilien des alten Österreich, vom Oberkommandierenden, dem Grafen Thun-Hohenstein, über die Grafen Auersperg, Wickenburg, Khevenhüller, Herberstein bis zu den Freiherren Kodolitsch, Stillfried, Almassy.

Das Freicorps sollte die Verbindung vom Hafen Veracruz nach der Hauptstadt sichern, die Berge nördlich und südlich dieser Straße säubern. Sein Zentrum blieb in den nächsten Monaten in Puebla, von wo es nach Norden in die Sierra del Norte, nach Süden bis nach Oajaca operierte.

Der Feind war nie wirklich zu fassen. Die Indianer beherrschten den Dschungelkrieg und dachten nicht daran, sich in offener Feldschlacht zu stellen, wie es die Europäer gewohnt waren. Ein Partisanenkrieg, wie ihn die Enkel der Legionäre achtzig Jahre später (weniger freiwillig) auf dem Balkan nicht weniger intensiv erleben sollten...

Mehrere Waffenstillstände hielten nicht lange. Verwundungen, Krankheiten, Desertationen lichteten die Reihen des Corps. Ein starkes Detachement wurde im Frühjahr 1866 bei Camargo total aufgerieben. Der versprochene Nachersatz kam nicht, als Österreich seine Soldaten selbst im Krieg gegen Preußen brauchte.

Inzwischen war in den USA der Bürgerkrieg des Norden gegen den Süden zu Ende gegangen. Die siegreichen Yankees verstärkten ihre Unterstützung für Juarez, intervenierten in Frankreich.

Als Napoleon III. im Herbst 1866 seine Truppen zurückzog, kehrte auch der Großteil der österreichischen Freiwilligen in die Heimat zurück. Maximilian glaubte, ausharren zu müssen. Ein Rest des Corps blieb bei ihm, um die Nationalarmee zu reorganisieren. Als der Kaiser in Quaretaro erschossen wurde, waren nur mehr wenige Österreicher in seinem Gefolge.

Die anderen hatten in der Hauptstadt gewartet, erst kapituliert, als die Nachricht vom Tod des Kaisers durchsickerte. Sie kehrten im Sommer 1867 heim.

Noch Jahre später meldeten sich Angehörige des Corps beim Bankier Davidsohn, der die Interessen Österreichs vertrat, um nach Hause zu fahren. Wie viele in Mexiko zurückgeblieben sind und tatsächlich eine neue Heimat gefunden haben, ist nie festgestellt worden.

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