6827779-1974_21_08.jpg
Digital In Arbeit

Das Reich des Träumers

Werbung
Werbung
Werbung

Fürst Johann Carl Kihevenihüller-Metsch (1839 bis 1905), der die im Famülienbesitz befindliche Burgruine Hardegg im Sinne desj Historismus ähnlich wieder aufbaute wie sein Zeitgenosse Graf Hans Wilczek die Burg Kreuzenstein, war in seiner Jugend drei Jaihre (1864 bis 1867) mit dem unglücklichen Kaiser Maximilian in Mexiko gewesen, hatte sich als Oberst der berühmten „Roten Husaren“ besonders ausgezeichnet und die Verhandlungen über die Übergabe der Hauptstadt und den ehrenvollen Abzug des österreichischen Freikorps mit dem republikanischen General Proflrio Diaz geführt. Auch nach der Rückkehr in die Heimat war er mit diesem seinen ritterlichen Gegner — der einst auch von den kaiserlichen Truppen gefangengenommen und dann freigelassen worden war — in Verbindung geblieben, und als Diaz sich dann als Staatspräsident um die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Mexiko und Österreich-Ungarn bemühte, gelang es ihm und Khevenhüller und ihrem Verbindungsmann, dem in Mexiko gebliebenen einstigen Feldapotheker Maximilians, dem aus Böhmen stammenden Dr. Franz Kaska, im Zusammenihang mit dem Bau der Gedächtniskapelle an der Hiinrichtungsstät-te in Queretaro die Wiederaufnahme der durch 34 Jahre unterbrochenen diplomatischen Beziehungen herbeizuführen. Damals, 1901, vier Jahre vor seinem Tod, ist Fürst Johann Carl als Überbringer des von Kaiser Franz Joseph gestifteten Altarbilds für die Gedächtniskapelle (der Bau selbst wurde von Dr. Kaska durchgeführt, das Geld stammte aus einem Geheimfonds des Staatspräsidenten Diaz, das über eine Bank in New York wieder nach Mexiko zurück an Dr. Kaska überwiesen wurde) wieder nach Mexiko gekommen.

Die Erinnerungsstücke, die Fürst Khevenhüller im „mexikanischen Saal“ von Burg Hardegg zu einer Gedenkstätte für Maximilian und das österreichischa Freikorps vereinigt hatte, sind 1945 fast alle verschwunden. Nur das große, aus einem Mastbaum von Maximilians Schicksalsschiff, der „fatal Novara“ (Carducci in seinem berühmten Gedicht „Miramar“) gezimmert, beim Abgang zur Khevenhüllerschen Familiengruft, ein Abguß der Totenmaske des Kaisers, zwei leere große Uberseekoffer sowie die gleichfalls leere eiserne Regimentskasse blieben erhalten. Später, während der Vorbereitungen der gegenwärtigen Ausstellung, kamen noch einige kolorierte Lithographien zum Vorschein.

So galt es, nachdem auf Anregung eines leidenschaftlichen Liebhabers des entzückenden Thaya-Städtchens, des Verlegers Wilfried Enzenhofer, der Beschluß zur Veranstaltung einer Ausstellung gefaßt worden war, von Grund auf neu zu beginnen und alle erreichbaren Objekte für eine Dokumentation des Lebens, Wollens und Scheiterns des so hochbegabten jüngeren Bruders Kaiser Franz Josephs zu sammeln. In einer mehrjährigen Tätigkeit des Sammelns und Sichtens wurde aber dann doch eine ganz erstaunliche Fülle von Exponaten — insgesamt fast fünfhundert — zustande gebracht, die Kindheit und Jugend Maximilians, seine vielseitigen wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen, seine Reisen und Aufzeichnungen, seine Zeichnungen, Gedichte und Aphorismen, seinen Anteil an der Errichtung der Votiv-kirche, seine Tätigkeit als Marinekommandant und als Generalgouverneur von Lombardo-Venetien, die Erbauung von Schloß Miramar und dann natürlich das mexikanische Abenteuer, das tragische Ende und das „Nachleben“ in der Literatur wie in der Phantasie des Volkes eindrucksvoll dokumentieren. Zu den besonders interessanten Stücken der Ausstellung gehören zwei Modelle der „Novara“ vor und nach dem Umbau von 1861/62 von einer Segelfregatte (die die berühmte Weltumseg-lung 1857/59 durchgeführt hatte) zur Schraubenfregatte, auf der Maximilian und Charlotte 1864 nach Mexiko reisten und auf der - dann 1867 Wilhelm von Tegetthoff den Sarg mit dem Leichnam des toten Kaisers in die Heimat zurückbrachte, ferner die Figurinen von der Meisterhand von Helmuth Kraush, darstellend die Uniformen des Freikorps sowie einen Gardisten der kaiserlichmexikanischen Palastgarde, ein Paket mexikanischer Eisenfoaihnaktien aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Einrichtungsgegenstände aus Miramar, zahlreiche zeitgenössische Porträts, Karikaturen, Proklamationen usw. Den stärksten Eindruck aber machen wohl jene Erinnerungsstücke an Maximilian, die nach seinem Tod seiner Mutter, der Erzherzogin Sophie, übertoracht wurden und die von ihr in einer schwarzen Lederkassette aufbewahrt wurden, darunter eine zivile und eine militärische Kopfbedeckung, das Eßbesteck mit Trinkglas, das er in der Gefangenschaft verwendete, der blutbefleckte Ärmel seines Unterhemdes, Amulett, Rosenkranz und Skapulier, ein Stein von der Hinrichtungsstätte, der Bleistift, mit dem der Abschiedsbrief an die Mutter geschrieben wurde und schließlich jener mit Bleistift geschriebene Abschiedsforief selbst, der in vergrößerter pho'tographischer ReDroduktion ausgestellt ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung