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PROFESSOR W. E. SCHÄFER / WIENER OPERNDIREKTOR IN SPE

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„Was uns Künstler hier in Stuttgart zusammenhält, ist der Geist der Harmonie, das unnennbare Etwas, das unlösbar mit dem Namen Walter Erich Schäfer verbunden ist.“ Mit diesen Worten umriß vor kurzem, als der württembergische Generalintendant zum Professor ernannt wurde, einer der Prominenten des Stuttgarter Ensembles, Wolfgang Windgassen, den tiefsten Grund eines ungewöhnlichen Aufstiegs vom soliden Durchschnittstheater zur deutschen Elite und zu internationalem Ruhm. Er liegt in der Attraktion von Stuttgarts Oper für bedeutende Sänger und Regisseure — dank der

Niveaustabilität, die der Generalintendant und Operndirektor durch eine vorausblickende Personäl-politik, durch eine ausgesprochen glückliche Hand in den Engagements und nicht zuletzt durch seine Persönlichkeit erreicht hat.

Es ist ja durchaus nicht selbstverständlich, wenn ausgerechnet die Stuttgarter Bühne jahrelang den Stamm der Bayreuther Solisten stellte, wenn Regisseure, wie Günther Rennen und Wieland Wagner, sich Stuttgart innig verbunden fühlen, wenn Weltstars, wie die Tebaldi oder del Monaco, hier erstmals in Deutschland auftreten, wenn der Bayer Carl Orff die schwäbische Hauptstadt zur Uraufführungsheimat wählt. Das Stuttgarter Opernwunder weist schon für sich Schäfer als einen der erfolgreichsten Intendanten Nachkriegsdeutschlands aus.

Wenn man eines an dieser Erfolgsbilanz bedauern kann, so die Tatsache, daß der Theaterchef Schäfer den Schriftsteller und Dramatiker Schäfer seit ]ahren vom Schreibtisch fernhält. Er hat zwar in den letzten Jahren noch einige Hörspiele geschrieben, die sich durch ihren Gedankenreichtum weit über den Durchschnitt erheben (so die dichterische Gandhi-Apotheose „Die fünf Sekunden“). Aber der

Dramatiker hat seit seiner „Verschwörung“ (den Widerstand gegen Hitler behandelnd) und dem Drama Ulm den Vater-Sohn-Konflikt Friedrich Wilhelms und Friedrichs II. „Aus Abend und Morgen“, beide in den Nachkriegsjahren in Stuttgart uraufgeführt, keine Zeit mehr zum Schaffen gefunden. Schon 1932 trat Schäfer mit dem Schauspiel „Der 18. Oktober“ hervor, es ging über viele Theater, „Die Reise nach Paris“, „Der Leutnant Vary“ u. a. folgten. Gründgens inszenierte in Berlin „Claudia“.

Die dramaturgische Sicherheit und Vertrautheit mit den Gesetzen der Bühne, die seine Stücke auszeichnet, hatte sich Schäfer von der Pike auf erarbeitet. Bis 1933 war er Dramaturg am damaligen Württembergischen Landestheater. Als er dann beim nationalsozialistischen Gauleiter in Ungnade fiel, ging er ans Nationaltheater in Weimar, nach dem Krieg als Chefdramaturg nach Kassel und Augsburg. Daß er sein Leben in der Kulissenluft verbringen sollte, hatte nicht im Lebensprogramm gestanden. Der Vater, Gutsbesitzer in Hemmingen in Schwaben — Schäfer ist dort am 16. März 1901 geboren — bestimmte ihn zum Landwirt und ließ ihn auf der Hochschule in Hohenheim studie-

ren. Erst viel später, als Schäfer selbst einen Bauernhof erwarb, kamen ihm die agrarischen Anfänge zugute. Zunächst sattelte der junge Student auf Kunstgeschichte und Philosophie um und promovierte in Tübingen mit einem religionsgeschichtlichen Thema. Im Grunde erwiesen sich alle Bildungswege als fruchtbare Umwege zum Theater.

Im Jahre 1949 wurde er zum Leiter der Württembergischen Staatstheater ernannt, in einer Zeit, die noch im Schatten des Währungsschnitts stand und in der die Wörter Krise und Theater Zwillingsgeschwister zu sein schienen. Jetzt konnte Schäfer alle Erfahrungen einer langen Bühnenkarriere auf verantwortlichem Pqsre verwerten. Schäfer verstand es, durch alle Fährnisse des modernen „Betriebes“, der die Prominenten allenthalben zu einem Wandervogeldasein verlockt, ein hervorragendes Ensemble aufzubauen und, was noch schwerer war: zu halten. Das ist heutzutage in Deutschland so selten geworden wie eine ununterbrochene zwölfjährige Theaterleitung. Die Ära Schäfer ist heute schon ein bedeutsamer historischer Abschnitt im Kulturleben Stuttgarts.

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