6750994-1967_28_03.jpg
Digital In Arbeit

Wendepunkt der 1. Republik

Werbung
Werbung
Werbung

Der 15. Juli 1927 war in der Geschichte der Ersten Republik der große Wendepunkt. Zum erstenmal kam es vor vierzig Jahren zu einer bürgerkriegsähnlichen Entwicklung, welche die Grundfesten der mühsam aufgebauten staatlichen Ordnung erschütterte und den Einsatz der Exekutive gegen eine Massendemonstration notwendig machte. Die Kulissen dieses Ereignisses lassen sich auf Grund der neueren Forschung besser ausleuchten, um so mehr, als in- und ausländische Akten die Zusammenhänge überschaubarer machten. Der Anlaß: der Zusammenstoß zwischen Angehörigen der Frontkämpfervereinigung und Mitgliedern des Republikanischen Schutzbundes in

Bürgermeister Seitz: von der Demonstration überrascht

Schattendorf, einem kleinen Ort im ohnehin von der Grenze her immer wieder mit Spannung geladenen Burgenland. Das Ergebnis der angeblichen politischen Notwehrhandlung: zwei Tote und in weiterer Folge der spektakuläre Freispruch des 14. Juli. Allein der Zusammenstoß mit den Blutopfern machte die Entladung am 15. Juli nicht erklärbar, wenn man nicht die Gesamt-

Situation des Jahres 1927 richtig ausleuchtet.

Eine lange Blutspur

Jüngste Forschungen haben erwiesen, daß diese scheinbar so ruhigen Jahre vor dem Wiener Ereignis in einer immer dichteren Abfolge politische Bluttaten hervorbrachten, die in dem Auftreten uniformierter und militärisch organisierter Selbstschutztruppen links und rechts ihre Ursachen hatten und daß der politische Mord allmählich zu einer Art von Kavaliersdelikt wurde, dessen Ahndung durch die Gerichte meist mit einem Freispruch oder einem nur geringfügigen Urteil endete. Dazu kam noch, daß das Jahr 1927 als- Wahljahr für die beiden großen Gruppen, das bürgerliche und das sozialdemokratische Lager, eine schwere Enttäuschung mit sich brachte. Die Sozialdemokraten, getragen von dem Wunsch, der am Parteitag vom 3. November 1926 so deutlich zum Ausdruck kam, bei der nächsten Wahl die Mehrheit zu erreichen, konnten zwar am 24. April 1927 drei Mandate gewinnen, sahen sich aber einer Mehrheit des bürgerlichen Lagers gegenüber. Bundeskanzler Dr. Seipel, von dem der Plan einer Einheitsliste der bürgerlichen Parteien einschließlich der Großdeutschen ausgegangen war, mußte den Stand von 85 Mandaten mit den verbündeten Großdeutschen nicht nur teilen, sondern auch Stimmeneinbußen verzeichnen, die er nur durch die Einbeziehung des nationalliberalen Landbundes in die Bundesregierung wettmachen konnte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung