"Ich bin Klangphantast"

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Franz Schreker, Opernkomponist zwischen Jugendstil und Neuer Sachlichkeit, ist im Wiener Jüdischen Museum zu entdecken.

Ich bin Impressionist, Expressionist, Internationalist, Futurist, musikalischer Verist; Jude und durch die Macht des Judentums emporgekommen, Christ und von der katholischen Clique unter Patronanz einer erzkatholischen Wiener Fürstin gemacht' worden. Ich bin Klangkünstler, Klangphantast, Klangzauberer, Klangästhet und habe keine Spur von Melodie. Ich bin Melodiker von reinstem Geblüt, als Harmoniker aber anämisch, pervers, trotzdem ein Vollblutmusiker! Ich bin (leider) Erotomane und wirke verderblich auf das deutsche Publikum (die Erotik ist augenscheinlich meine ureigenste Erfindung trotz Figaro, Don Juan, Carmen, Tannhäuser, Tristan, Walküre, Salome, Elektra, Rosenkavalier u.s.f.)." Dem Mann, der solcherart über seine Kritiker spottete, widmet das Jüdische Museum Wien derzeit eine umfassende Schau: "Franz Schreker. Grenzgänge/Grenzklänge". Der Ausstellungstitel spiegelt wider, dass das Leben dieses österreichischen Komponisten, der in letzter Zeit eine wahre Renaissance erlebt, immer wieder von Grenzlinien - geografischen, nationalen, musikalischen, kulturellen, ethnischen und politischen - durchschnitten wurde.

Schrekers Erfolgsopern

Der 1878 in Monaco geborene Franz Schreker war mit seinen die Bildsprache des Films vorwegnehmenden und in menschliche Abgründe hinabspähenden Erfolgsopern "Der ferne Klang", "Die Gezeichneten", "Der Schatzgräber" und "Irrelohe" einer der meist gespielten und einflussreichsten Komponisten seiner Generation. Doch das Verbot seiner Werke während der Herrschaft des Nationalsozialismus und die Geringschätzung seiner Musik durch die Nachkriegsavantgarde bewirkten, dass Schreker, der 1934 gebrochen an einem Schlaganfall starb, aus der Musikgeschichte ausradiert wurde. Denn für die Nazis war der Sohn eines jüdischen Hoffotografen und einer adeligen Mutter "Halbjude" und seine Musik "entartet", in den strengen Augen der Adepten der Zwölftonmusik und deren Nachfolger hingegen ein "Reaktionär", weil er an der Tonalität festhielt, wenngleich er Perspektiven eröffnete, die erst Jahrzehnte später wieder aufgegriffen wurden.

Grenzgänger war Schreker auch in anderer Hinsicht: In seiner Wiener Zeit war sein Schaffen das musikalische Pendant zum dekorativen Jugendstil eines Gustav Klimt, zum literarischen Realismus eines Arthur Schnitzler und zur Ergründung des Unterbewusstseins durch Sigmund Freud. Aus dieser Fin de siècle-Atmosphäre wechselte Schreker in das von der Neuen Sachlichkeit geprägte Berlin der Weimarer Republik, als er 1920 zum Direktor der dortigen Musikhochschule ernannt wurde. Obwohl seine Musik bald nicht mehr als zeitgemäß empfunden wurde und er sogar zeitweilig keinen Draht mehr zu seinen Studenten fand, unter ihnen Ernst Krenek, so verlor er dennoch nicht den Anschluss an die Gegenwart: Fasziniert von den neuen technologischen Möglichkeiten war Schreker einer der ersten, die für den Rundfunk komponierten, und mit ihm wurden die allerersten Konzertfilme produziert - lange vor Herbert von Karajan.

Fällige Wiederentdeckung

"Nach meinem Tode entdeckt zu werden, sind meine Werke wie geschaffen", schrieb Schreker einmal. Diese zweite Ausstellung der Reihe "Musik des Aufbruchs" ist nun eine gute Gelegenheit, diesen modernen Komponisten kennen zu lernen, der nicht den Weg Arnold Schönbergs gegangen ist. Vor allem der Audioguide mit über 100 Tonbeispielen gestattet einen - für viele wohl ersten - Einblick in die betörenden Klangwelten Schrekers.

Franz Schreker

Grenzgänge/Grenzklänge

Jüdisches Museum Wien

Dorotheergasse 11, 1010 Wien

Bis 24. April So - Fr 10 -18 , Do bis 20 h

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