Nichtssagend, der Baum der Erkenntnis

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Ein Drama von Henrik Ibsen -"Gespenster", eine Erzählung von Virginia Woolf - "Mrs. Dalloway" und eine Operette von Paul Abraham - "Viktoria und ihr Husar" will Ausnahmeregisseur Armin Holz in "Familienfeste" am Landestheater Linz vereinen - und scheitert.

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Ein Drama von Henrik Ibsen -"Gespenster", eine Erzählung von Virginia Woolf - "Mrs. Dalloway" und eine Operette von Paul Abraham - "Viktoria und ihr Husar" will Ausnahmeregisseur Armin Holz in "Familienfeste" am Landestheater Linz vereinen - und scheitert.

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Mit einem echten Highlight wollte Noch-Intendant des Linzer Landestheaters, Rainer Mennicken seine letzte Saison beenden, mit einer Ausnahmeproduktion, einer künstlerischen Überforderung, einer ganz großen Sache. Tatsächlich wurde aus diesem Vorhaben eine Zumutung. Dafür verantwortlich zeichnet der aus Krefeld stammende Armin Holz. Holz gilt als Ausnahmeregisseur, da er nur alle paar Jahre inszeniert. In der Zeit dazwischen brütet er über neuen Projekten. Das letzten Samstag im Linzer Landestheater uraufgeführte Großprojekt nennt er "Familienfeste", es vereint Henrik Ibsens Drama "Gespenster", Virginia Woolfs Erzählung "Mrs. Dalloway" und Paul Abrahams Operette "Viktoria und ihr Husar."

Familiäre Strukturen

Was verbindet diese drei unterschiedlichen Vorlagen? Holz interessieren die ungewöhnlichen familiären Strukturen, so der Regisseur im Vorfeld. Die Heimkehr von Ibsens Oswald ist ein eher fragwürdiger Grund zur Freude. Feiern wollen Mutter Alving und Pastor Manders dennoch, doch während die Champagner-Korken knallen, tauchen die Gespenster der Vergangenheit auf. So wird bei Ibsen nicht auf das Leben angestoßen, sondern Trauer, Scham und Verzweiflung sollen in Alkohol ertränkt werden.

Feste muss man aber feiern, wie sie fallen. So auch bei Virginia Woolf, deren Titelfigur Clarissa Dalloway eine Party vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs gibt. Eine zerfallende Gesellschaft soll zusammengehalten werden, aber als Clarissa die Nachricht erhält, dass sich ein Soldat unmittelbar vor ihrem Fest das Leben genommen hat, bricht die Wirklichkeit herein.

Im dritten Teil, der Operette, dienen Festivitäten und Feiern als Grundlage für eine Groteske - allerdings auf Kosten der Vorlage. Was vielversprechend klingt, bleibt in Holz' Inszenierung auf der Strecke. Nur Äußerlichkeiten verbinden die Teile: ein Stein und ein silbern lackierter Baumstamm bilden das verlässliche Ambiente. Immer wieder richtet die Regie das Scheinwerferlicht auf den Stein. Bedeutung komm heraus!, möchte man rufen, doch der Stein bleibt stumm.

Bedeutungsschwer, inhaltsleer

Die Symbolik ist bedeutungsschwer und inhaltsleer zugleich. Immerhin lässt sich am Ende dieses Abends die Rolle des Silberbaumes erahnen. Ein Bild gibt den entscheidenden Hinweis: Es zeigt das Profil eines Mannes und einer Frau, einander zugewandt, Augen und Mund geschlossen. Ein Baum steht zwischen ihnen. Es mag sich um den Baum der Erkenntnis handeln, der die Menschen trennt, die Familien zerstört und dessen silbern glänzender Stamm die Sehnsüchtigen täuscht.

Holz hat sein Projekt mit acht Schauspielern gewagt, Anne Bennent und Klaus Christian Schreiber geben in allen Teilen die großen Rollen. In großen Gesten deklamieren sie im alptraumhaften ersten Teil Frau Alving und Pastor Manders. Kreischend, quietschend, hysterisch lachend kehrt Bennent die innersten Gefühle nach außen. Im strengen schwarzen Kleid verkriecht sie sich auf eine Holzbank, die ihr zum Beichtstuhl wird. In ausladendem Pathos wird geküsst, getrunken und unter Röcke gekrochen, als hätten die Ibsen'schen Männer nur ein Ziel: die Rückkehr in den mütterlichen Uterus.

Im anschließenden Teil aus Woolfs Erzählung, teilt Holz die Figur der Clarissa Dalloway auf zwei Darstellerinnen auf, die miteinander im Dialog stehen. Bennent hopst selbstvergessen auf einer Treppe, biegt ihren Körper artistisch nach hinten, wachelt mit den Armen, die Dekadenz der Gesellschaftsdame eifrig betonend. Der manierierte Gestus dieses Spiels entwickelt sich im dritten Teil zur verstörenden Zumutung. Für Armin Holz ist die bekannte Operette "Viktoria und ihr Husar" der drei im NS-Regime verfolgten bzw. ermordeten Künstler Paul Abraham, Fritz Löhner-Beda und Alfred Grünwald pures Lachtheater. Anstatt sich auf den emanzipatorischen Anspruch der 1930 verfassten Operette zu konzentrieren, geht er postnazistischen Klischees auf den Leim und macht Figuren und Geschichte lächerlich.

"Mausi, warst du süß heut Nacht"

Die Schauspieler verblödeln Lieder wie "Meine Mama war aus Yokohama", übertreiben maßlos sexuelle Anspielungen bei "Mausi, süß warst du heute Nacht". Statt zur Groteske wird diese Operettenparodie zum unfreiwillig komischen Trauerspiel mit Kokain schniefenden Grafen, Brüste präsentierenden Dienstmädchen und notorisch geilen Soldaten. Einzig das auf zwei Personen reduzierte Orchester nimmt die Vorlage ernst und denkt sie musikalisch weiter. Paul Schuberth sowie Victoria Pfeil gebührt Anerkennung für ihren Einsatz. Das Schlussbild unterstreicht den Gesamteindruck: Der im Scheinwerferlicht stehende Stein betont, wie nichtssagend dieses Großprojekt am Ende ist.

Familienfeste

Landestheater Linz, 8.11.

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