Zeitreise durch Wien, Israel und USA

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Nach neunmonatigen Umbauarbeiten wird der Hauptstandort des Jüdischen Museums Wien im Palais Eskeles wiedereröffnet. Direktorin Danielle Spera kann nach den heftigen Turbulenzen um ihre Person ein positives Medienecho gut brauchen.

Wie ein Volksschüler, der zum ersten Mal am Schalter des Postamtes eine Briefmarke kaufen darf: Diese Reminiszenz stellt sich an der neuen Kassa des Jüdischen Museums Wien ein, deren Tresen so hoch liegt, dass erwachsene Menschen kaum darüber blicken können. Die seltsame, nicht unbedingt als niederschwellig zu bezeichnende Konstruktion der Museumskassa ist aber freilich der einzige Makel, der im frisch umgebauten Museum in der Wiener Dorotheergasse auffällt: Mit der Erneuerung hat die umstrittene Direktorin Danielle Spera einige dringend benötigte Pluspunkte gesammelt.

Neun Monate lang wurde das Palais Eskeles umgebaut, am Montag wurde der zentrale Standort des Jüdischen Museums den Medien präsentiert. Neue Aufzüge wurden eingebaut, die Klima- und Haustechnik komplett erneuert. Ein neuer, größerer Veranstaltungssaal wurde geschaffen. Vor allem aber wurde das Schaudepot neu gestaltet und der erste Schritt zu einer neuen Dauerausstellung gesetzt, die im Herbst 2012 eröffnet werden soll.

Im historischen Kontext

Warum gibt es jüdische Museen? Welche Rolle soll Religion im Jüdischen Museum spielen? Kann man die Schoa begreifen? Diese Fragen - die derzeit in jüdischen Museen weltweit diskutiert werden - werden dem Besucher der Dauerausstellungsvorstufe im lichten Atrium des Gebäudes gestellt. Antworten darauf kann er selbst finden: Auf Arbeitstischen werden diverse Exponate präsentiert, von historischen Ritualgegenständen über das Tagebuch eines jüdischen Jugendlichen im nationalsozialistischen Wien bis hin zu Fotodokumenten des jüdischen Lebens in Wien nach 1945. Auf die endgültige fixe Schau muss noch gewartet werden: "Eine neue Dauerausstellung erfordert umfangreiche wissenschaftliche und museologische Vorbereitungen“, erklärt Spera. Dafür wolle man sich die nötige Zeit nehmen. Immerhin wird dem Besucher jetzt eine große Sonderausstellung geboten: "Bigger than life. 100 Jahre Hollywood“ erzählt die Geschichte der amerikanischen Traumfabrik als eine Geschichte von jüdischen Akteuren hinter und vor der Kamera (die FURCHE wird in einer der nächsten Ausgaben über die sehenswerte Schau berichten).

Erneuert wurde auch das Schaudepot, im Prinzip eine riesige Vitrine mit einem dahinter befindlichen Lager. Im alten Schaudepot hatte es keinerlei Erläuterungen gegeben, der Betrachter war mit einer unkommentierten Fülle von Ausstellungsstücken konfrontiert. Nun aber werden die Sammlungen des Museums erläutert und in einen historischen Zusammenhang gestellt. Es ist eine Zeitreise durch Wien, Teile der k. u. k. Monarchie, Israel und die USA. Kostbare Ritualobjekte sind dort ebenso zu sehen wie Alltagsgegenstände vergangener Zeiten, aber auch jüdische Kuriosa von heute, etwa eine Konservenbüchse mit "Reiner Luft aus dem Heiligen Land“ oder Kippas mit Basketball- bzw. Spider-Man-Motiv. Erstmals werden auch die Sammler vorgestellt, denen das Museum seine Bestände zu verdanken hat, etwa Max Berger oder Martin Schlaff.

Das Jüdische Museum kann Erfolge gut gebrauchen, denn die Schlagzeilen der letzten Zeit waren alles andere als positiv. Der neu bestellten Direktorin Danielle Spera schlug von Anfang an ein rauer Wind entgegen, der sich im Februar dieses Jahres zu einem wahren Orkan auswuchs. Zum Stein des Anstoßes wurden die 21 Hologramme, die das Herzstück der alten Dauerausstellung ausmachten. Beim Abbau nämlich gingen die wuchtigen Installationen zu Bruch. Die damalige Chefkuratorin des Museums, die sich selbst vergeblich um den Direktorenposten beworben hatte, verschickte Fotos der Trümmer. 25 Direktoren und Mitarbeiter jüdischer Museen in ganz Europa warfen Spera in einem offenen Brief mangelnden Respekt gegenüber der Geschichte vor. Kritiker erhoben die Hologramme in den Rang von Kunstwerken und unterstellten Spera, diese mutwillig zerstört zu haben. Die Direktorin konterte, es handle sich um eine veraltete Technologie, die nicht gerettet werden konnte und verwies darauf, dass ein zweites, kleineres Set von Hologrammen erhalten sei. Ein Gutachter der Wien Holding, Eigentümer des Museums, hat mittlerweile bestätigt, dass die Glasquader derart fest montiert waren, dass die Zerstörung beim Abbau unvermeidlich war. Der Konflikt zwischen Gegnern und Anhängern Speras eskalierte jedoch weiter und mündete in groteske NS-Vergleiche und Nazi-Anspielungen seitens beider Streitparteien.

Machtkämpfe und Intrigen

Der Hintergrund der Intrige bleibt für Außenstehende nebulos. In dem Jüdischen Magazin für Politik und Kultur nu - das klar für Spera Partei ergreift - ist die Rede von einem Machtkampf innerhalb der Israelitischen Kultusgemeinde und von Vorbehalten des "gut vernetzen Kuratoren- und Museologenmilieus“ gegenüber der Quereinsteigerin.

Die Verwerfungen sind noch lange nicht geglättet, wie auf der Pressekonferenz anlässlich der Wiedereröffnung des Museums deutlich wurde: auf der einen Seite durch ungewöhnlich aggressive Journalistenfragen, auf der anderen durch die zähnebleckende Weigerung, auf diese einzugehen. Spera muss wohl noch einige überzeugende Ergebnisse mehr abliefern, damit die Kritik an ihr verstummt.

Jüdisches Museum Wien

Dorotheergasse 11, 1010 Wien

So.-Fr. 10-18 Uhr

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