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Abkehr von der Uniform

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Die landläufige Bezeichnung „Uniform für die einheitliche Kleidung verschiedener Korporationen hat in ihrer nicht beabsichtigten Auswirkung manches Mißverständnis zur Folge.

Daß wirtschaftliche Momente, wie auch die leichtere Beschaffungsmöglichkeit von einheitlichen Kleidungsstücken halbmilitärischer Art, vielfach auch abgelegte und umgeformte militärische Uniformstücke, in dieser gänzlich ungefährlichen „Aufrüstung" eine Rolle spielten, liegt im Wesen der Vereinigungen. Ungefährlich war diese Entwicklung aber nicht für die Tracht an sich! In dem Maße, als sieh die bunte Vielfalt der bäuerlichen Tracht auflöste im einheitlichen Grau, Braun und spärlichen Grün der letzten „Schaikeln“, sah man den letzten Schutzwall eines von romantischem Schimmer verklärten Heimatideals auch in der Tracht nur mehr in organisierten Vereinigungen der Trachtuniformierten. Was lag näher, als daß diese ein zumeist augenfälliges Einzelstück — den Rode, den Hut, das Tüchel —, vor dem Versinken im einströmenden Meer der Konfektionsmode bewahren wollten, indem sie es für ihre Vereinigung zur Type werden ließen: aus dem einen Stüde wurde die Tracht aller gebildet, eines für alle gestaltet, auch hier nur „uniform“ gedacht und die Tracht, das heißt Uniferm eines Trachtenerhaltungsvereines „festgelegt“!

Indem wir die Notwendigkeit einheitlicher Kleidung für Vereinigungen der „Schützen unbedingt bejahen, schon aus der geschichtlichen Bindung tnit einer ruhmvollen Tradition, suchen wir für die ebenfalls notwendig einheitlich zu gestaltende Kleidung der Musikkapellen nach praktischen, aber immer heimatgebundenen Lösungen moderner Art; wir verwerfen aber als Widerspruch und Gefährdung der Tracht an eich die Uniform bei Trachtenvereinen.

Der oft fixen Idee, daß eine mit breiten, wenn möglich goldenen oder silbernen Lampas bordürte Hose, eine schnittige goldbeknöpfte Bluse und ein Schild- kappel mit drei Goldschnüren rundum der Inbegriff der Herrlichkeit unserer bäuerlichen Ortsmusikkapellen sein müßte, konnte zum Beispiel im Salzburgerlande — zuvörderst im Gebirge — der Garaus gemacht werden. Diese Säuberung geht sogar so weit, daß dem Wunsche nach allzustarker Kopierung historischer Vorbilder oft Einhalt geboten werden muß.

Die zweite Art auf diesem historisierenden Wege liegt im Herausschälen charakteristischer Trachtenmerkmale, die für das .Tal seit Jahrhunderten oft kennzeichnend waren. So entstanden bei den mehr als dreißig eingekleideten salzburgischen Musikkapellen der vergangenen drei Jahre viele farbenfrohe „neue“ Trachten, die trotzdem den Geburtsschein in Farbe, Schnitt und Gestaltung offen an sich tragen. Daß hiebei die Barockzeit mehr noch als das gedämpftere Biedermeier die Grundstoffe liefert, liegt in der sinnenfreudigeren Gegenwart und auch — in der frischen Jugend unserer wackeren Musikkameraden.

Der dritte Weg führt zum Heimatkleid, daß für einen größeren Bezirk (Pinzgau, Pongau) sich in besonderen Kennzeichen als eigentümlich abhebt, wobei zur Vermeidung einer bezirksweisen Uniformierung immer noch sehr viele örtliche Eigenheiten im einzelnen beachtet werden können.

Lediglich als Ausweg raten wir an vierter Stelle die offizielle Landestracht zu wählen, da wir auf dem Standpunkt stehen, daß diese ja das Allgemeinkleid für jedermann, das heißt den salzburgischen Jedermann sein müsse.

Es ergibt sich nun bei unserer Trachtenerneuerung der erfreuliche Umstand, daß in vielen Orten vereinsmäßig Außenstehende, also zum Beispiel Nichtangehörige der Musikkapelle, das vorgeschlagene örtliche Kleid mit derselben Begeisterung aufgreifen und sich selbst anschaffen! Daß dies ohne Neid der „betroffenen" Vereinigung geschieht, die ihre Tracht da plötzlich über den statutarisch gezogenen Kreis hinausgetragen sieht, und daß sich an dieser Trachtenerneuerung auf richtiger, breiter Basis oft Bürgermeister (Lofer, Abtenau und andere) und Geschäftsleute des Ortes beteiligen, erhöht den Wert der Tracht und beweist echte Heimatliebe. Dadurch wird 6ie erst von der Uniformierung eines einzigen „Vereines" auf die richtige heimatliche Ebene der ganzen Gemeinschaft geführt und rechtfertigt den eingeschlagenen Weg. Ja, selbst wenn sich von der Musikkapelle aus nur einzelne, einem größeren Kreise zugänglich gemachte Kleidungsstücke durchsetzen (Michaeler Leibi, Neumarkter Leibi, Aigner Röckl, Lammertaler Rock), Ist unser heimatliches Bild schon bereichert und staut sich die Sturmflut der Fabriksweltuniform in der Werkstätte unseres Webmeisters im hintersten Lungauer Tal.

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