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Tracht eines Landes

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In unserem Salzburger Bergland haben wir das Glück, im Pongau bis in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts eine lebende Volkstracht der Männer zu finden, abgesehen von der Frauenfesttracht des Gebirges, der „Bürgertracht“ (richtig Gebirglertracht). Diese Pongauer Trachtenbestandteile versanken nicht einmal in das Braun und Grau der Ausläufer unserer Biedermeierzeit; der grüne Raßrock, die schwarze, weiß ausgenähte Sattelhose und die blauen Stutzen gaben immerhin eine Farbenzusammenstellung, die sich scharf von der sonstigen düsteren Verflachung abhob.

Auf diese ursprünglichen Trachtenelemente baute ein Sonderausschuß des Salzburger Landtages (1911 bis 1913) auf in seinen Arbeiten und Bemühungen um die Neugestaltung und Wiederbelebung der Salzburger Tracht. Die Ergebnisse, die diese Heimatfreunde und Fachleute niederlegten (den Vorsitz führte Schulrat Adrian, als Zeichner betätigte sich Professor Kulstrunck), bildeten wiederum die Grundlage für die nach dem ersten Weltkrieg aufgenommenen Arbeiten von „Trachtenvereinen“, da ja auch die wiederbelebte Salzburger Volkstracht in diesen Grundformen mitsamt dem jage-rischen „Lamberghut“ als Salzburger Hut das anerkannte Salzburger Kleid wurde. Die Entwicklung der früher so vielfältig verschiedenen Trachten unserer Talschaften beziehungsweise der übrigen alten Bezirke (Flachgau, Tennengau, Pinzgau, Lungau) kam über den vereinsmäßig gezogenen Rahmen nicht hinaus, ein allgemein alpenländischer grauer Lodenanzug wurde mit einigen besonderen salzburgischen Merkmalen 1935 hiezu gesetzlich als Landestracht“ festgelegt.

Während des zweiten Weltkrieges erstanden in sorgfältiger fachlicher Forschung unter Berücksichtigung der Erneuerungsbestrebungen in den Alpenländern nach der Tiroler Mappe die Vorlagen für die erneuerten Fest- und Arbeitskleider, für Sommer- und Wintertrachten des Flachgaues, Pongaues, Pinz-gaues, Lungaues; großen Verdienst um die vorbildliche Anlage erwarb sich die Zentralstelle in Innsbruck (G. Pesendorfer).

Der sichtbare Erfolg dieser kulturellen Pionierarbeit stellte sich nach dem Krieg ein, als das „Salzburger Heimatwerk“ wieder erweckt wurde und auch die heimatliche Brauchtumsbetreuung in einer Landesstelle, der „Salzburger Heimatpflege bei der Landesregierung“, weitergeführt werden konnte. Nunmehr arbeiten diese Stellen mit einer in den österreichischen Ländern erstmals an der Bundesgewerbeschule eingerichteten „Trachtenklasse“ (Frauenberufsschule Salzburg) und den über das ganze Land zerstreuten Heimatvereinen zusammen.

Kennzeichnend für den frischen Lebenswillen im Lande ist hiebei, daß sich vor allem größere Heimatvereinigungen, wie Musikkapellen und historische Brauchtumsvereinigungen (Prangschützen usw.), um die Festlegung eines praktischen, modernen, aber der Landschaft gemäßen Kleides bewarben. Uber zwei Dutzend dieser Körperschaften wurden in der kurzen Spanne von zwei Jahren wirklich äußerlich und auch innerlich heimatstolz „aufgerüstet“; denn die Tracht wandelt ja auch den Träger, der sich durch sie ausdrücklich zur Heimat bekennen will.

Welche Bedeutung solche „Einkleidungen“ für Vereinigungen in unseren Berggemeinden, wirtschaftlich gesehen, haben, zeigt allein die Tatsache, daß hiefür im Rahmen der Körperschaft jeweils bis zu 25.000 Schilling aufgebracht werden müssen; Sorgen und Kosten wahrlich genug, die den ganzen Idealismus und die echte Heimatliebe aller erfordern. Die größte Freude und Genugtuung liegt jedoch dann darin, wenn diese neue alte Tracht Ober die ursprüngliche Vereinigung hinauswächst und zum stolzen Festkleid des Ortes selbst wird; wenn Bürger und Bauern, Mädel und Frauen auch außerhalb von allfälligen Festen — ohne Auftrag und Einladung — das Kleid tragen, das eben von diesem Tragen und nicht vom Aufhängen im Kasten einst den Namen „Tracht“ bekommen hat.

Daß daneben die wichtige Aufgabe der Beratung einzelner im Vordergrund steht.die als Heimatfreunde sich für Sonn- und Alltag ihr Salzburger Kleid nicht saisonbedingt anschaffen wollen, ist selbstverständlich. Sie zusammen bilden den Grundstock der vielen Freunde und Mitarbeiter in allen Kreisen der Bevölkerung und bieten die Gewähr, daß die Trachtenerneuerung auch die Herzen erfaßte und richtig im Wesen erkannt wurde. Sie haben verstanden, daß Tracht die Gemeinschaft betont und sich — wenn auch jederzeit angepaßt an die Erfordernisse der Gegenwart — nie so launisch wandelt wie die Mode der großen Welt. Oder daß „Trachtenmode“, zumal in unseren großen Fremdenverkehrsorten, ein gar nützliches Phantasieprodukt mancherlei Art (auch mancherlei Geschäftes) ist, daß sie aber wohl die internationale Großstadtschwester unserer braven, ehrlich landfromm gebliebenen Trachtenerneuerung wurde.

All diese Begleiterscheinungen der Trachtenpflege im Licht und im Schatten zu verstehen, ist unsere Aufgabe in einem Lande, dem der Fremdenverkehr zusätzlich das Brot gibt, das der karge Boden sonst verwehrt; unsere Pflicht aber ist es, in der Tracht — und erst recht in ihrer Erneuerung — nicht eine Schaustellung hohler Fassaden zu erblicken, wie sie in ihrem Bereich die heimatverbundene .Baugestaltung in Land und Stadt leider zahlreich antrifft

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