Unbegrenzter Illusionismus

19451960198020002020

"Der Maler des Himmels" - eine Ausstellung zum 300. Geburtstag des Barockmalers Paul Troger.

19451960198020002020

"Der Maler des Himmels" - eine Ausstellung zum 300. Geburtstag des Barockmalers Paul Troger.

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt Künstler, die bleiben in gewissem Sinne immer zeitgemäß. Auch wenn Jahrhunderte vergehen und sich Gesellschaft, die künstlerischen Ausdrucksformen und deren Themen so gewandelt haben, daß so gut wie nichts vergleichbar erscheint. Paul Troger gehört zu jenen Malern, die in bestimmten Aspekten stets in Bezug zur Gegenwart und deren Kunst bleiben.

Der 1698 als Sohn eines Mesners im Südtiroler Welsberg geborene Protagonist der österreichischen barocken Monumentalmalerei hat seine Spuren vor allem in Niederösterreich hinterlassen. Trogers 300. Geburtstag bietet einen guten Anlaß, die ungemein locker gemalten Fresken in dem für ihn typischen, spontan erscheinenden Skizzenstil in der Benediktinerabtei Altenburg mit der nahegelegenen Wahlfahrtskirche Maria Dreieichen zu besichtigen. Trogers Lieblingsstift Altenburg, in dem der Maler neun Wandmalereien verwirklichte, bietet zum Jubiläum zusätzlich eine - leider nicht geglückte - Sonderausstellung unter dem verklärten Titel "Der Maler des Himmels". Wer nach einem "Troger-Menü" im Altenburger Stiftskeller erst richtig auf den Geschmack gekommen ist, der kann seine Stiftstour fortsetzen und weiteren Hauptwerken des Barockmalers in den "Troger-Stiften" Geras, Göttweig, Melk, St. Andrä, St. Pölten, Seitenstetten und Zwettl nachspüren.

Schon von "seiner ersten Jugend" habe der spätere Erfolgsmaler "das heftigste Verlangen, die Mahlerey zu erlernen" verspürt, heißt es in einem zeitgenössischen Nachruf auf Paul Trogers Tod im Jahr 1762. Doch die ländliche Gegend und die eingeschränkten Mittel bieten dem jungen Troger keine Möglichkeit, eine Malschule zu besuchen. Bis er angeblich vierzehnjährig entdeckt wird. Die finanzielle Unterstützung des Bischofs von Gurk und Jakob Maximilian Graf von Thun und Hohenstein ermöglicht ihm eine vierjährige Lehrzeit in Italien. Als seine Lehrer nimmt man Giovanni Battista Piazetta, Francesco Solimena oder Giuseppe Maria Crespi an. In Venedig, Rom, Bologna und Neapel studiert Paul Troger die italienische, zeitgenössische Kunst, aber auch die Antike, was an zahlreichen Skizzen zu erkennen ist.

Nach Österreich zurückgekehrt, gelingt Paul Troger mit seinem ersten größeren Fresko 1728 in der Salzburger Kajetanerkirche der Durchbruch. Bald avanciert er in seiner Wahlheimat Wien neben Daniel Gran und Michael Rottmayr zum wichtigsten Monumentalmaler.

Beim Betrachten der Fresken im Stift Altenburg und der Wahlfahrtskirche Maria Dreieichen wird für den Besucher die Bedeutung, Charakteristik und Qualität der Trogerschen Kunst nachvollziehbar. Das ellipsoide Kuppelfresko in der Stiftskirche gehört zu Trogers Hauptarbeiten, das der impulsiv arbeitende Künstler gemeinsam mit einem Malergesellen und seinem Schüler Jakob Zeiller in nur 85 Tagen vollendete. Daß Troger damals bereits höchst geschätzt war, bezeugt die hohe Entlohnung von 1.900 Gulden (heute etwa 2 Millionen Schilling) und 580 Liter Wein.

Dargestellt sind auf dem Kuppelfresko Szenen aus der Johannesapokalypse, ein von Troger oft variiertes Thema. Die Apokalypse erscheint beim ihm aber nicht als dunkle Schreckensvision, gerade durch die leichte bewegte Malweise, die leuchtenden, pastellenen Farben kommt der hoffnungsvolle Aspekt des Buches stärker zur Geltung. Charakteristisch für Troger ist das direkte Einsetzen der Malerei ohne überleitende Architekturmalerei, die Erzeugung eines unbegrenzten Illusionismus und einer selten großzügigen Dramatik. Unverkennbar ist auch die feine Farbigkeit - der Künstler entwickelte aus Ultramarinblau und einer besonderen Untermalung das unverkennbare "Troger-Blau". Die Dynamik der von allen Seiten in den Bildraum greifenden Figuren wird durch gewaltige Kleider-Draperien verstärkt - es entsteht Tiefe und Räumlichkeit und zugleich der Eindruck ständiger Bewegung. Troger ist ein dramatischer Lichtregisseur, der mit kontrastreichen Lichtinszenierungen seine Malerei in eine atmosphärische Leichtigkeit fast bis zur Immaterialität zu steigern vermag. Besonders deutlich wird die malerische Auflösung im wesentlich später entstandenen Fresko in der Maria Dreieichenkirche. Hier erscheint Troger in seiner beinahe monochromen Beschränkung auf helle, weißliche Farbtöne und der andeutenden Malweise als Vorahne österreichischer Gegenwartsmaler wie Maria Lassnig und Siegfried Anzinger.

Daß Paul Troger nicht nur als Monumentalmaler reüssierte, sondern sich auch als Bildkünstler verwirklichte, sieht man in dem zu den Fresken vergleichsweise dunklen Hochaltarbild der Altenburger Stiftskirche "Die Aufnahme Mariens in den Himmel". Es schlägt eine Brücke zu Meisterwerken der Trogerschen Bildkunst wie dem "Letzten Abendmahl" im Zwettler Refektorium oder "Christus am Ölberg" aus dem Wiener Barockmuseum.

Eine zentrale Rolle kommt Troger auch durch seine spätere Lehrtätigkeit zu: Als Direktor der Wiener Akademie gibt er wesentliche Impulse für den österreichischen Spätbarock, dessen Vertreter wie Franz Anton Maulbertsch, Johann Jakob Zeiller und Christoph Unterberger zu seinen Schülern zählen.

Enttäuschend präsentiert sich die gestalterisch wenig professionelle Sonderausstellung. Zwar werden etwa interessante Urkunden, ein Entwurf für das Himmelfahrts-Altarbild der Stiftskirche und restauratorische Forschungsergebnisse der hervorragenden Restauration des Kuppelfreskos gezeigt. Gerade die restauratorischen Aspekte erscheinen jedoch überproportional präsent im Vergleich zu dem sonst Gezeigten und der fehlenden kunsthistorischen Beleuchtung in der Schau, die jedoch im Katalog nachgeholt wird.

Höhepunkt der Ausstellung ist der Gang direkt unter das Deckenfresko der Kaisertrakt-Feststiege. Über eine Holzkonstruktion gelangt man in berührbare Nähe des Freskos "Harmonie zwischen Religion und Wissenschaft". Von Aug zu Aug mit den Figuren stellt man sich Troger auf dem Gerüst vor und bekommt Einblicke in den Arbeitsprozeß an einer Wandmalerei. So erkennt man Ritzungen im Putz, die der Künstler später nicht ausgeführt hat oder sieht etwa die Farbe und die Verkürzungen der Figuren nochmals aus völlig neuer Perspektive. Allein dies entschädigt für manch anderes und macht neben dem Stiftsbesuch auch die Sonderausstellung sehenswert.

Bis 1. November

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung