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Franz Lehar

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Franz Lehar gehört zu jener Reihe von Auserwählten, deren Name und Werk den fröhlichen Ruf der Wiener Heimat in alle Welt getragen haben; einer Reihe, die mit dem lieben Augustin beginnt und der neben vielen andern auch Strauß und Lanner, Raimund und Nestroy, Girardi und Biasel angehören, Menschen, die das Wienerische über das Genre hinaus zu einer Art künstlerischer Weltanschauung erhoben, repräsentiert durch die leichteste aller Musen, die mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Im Strom seiner Melodien fließt die ewige Träne mit, im übermütigen Thyrsus- schwung seiner Rhythmen kichert das ewige Lachen. Die Mischung ist sein Geheimnis und sein Erfolg, leicht nachzuahmen, nie zu erreichen. In Lehar ist — anscheinend ein letztes Mal — wienerische Wesensart zum wienerischen Kunstwerk geworden, ohne ihre Volkstümlichkeit einzubüßen. Seine Werke bleiben Amüsement bei allem Leistungswert, seine Einfälle bei breitester Wirkung musisch. Er ist der Wiener Operette das geworden, was der ihm befreundete Puccini für die Oper wurde: der letzte Welterfolg.

Die in der Strauß-Nachfolge etwas kurzatmig gewordene Operette ist von Lehar entschlossen nach der tänzerischen Seite hingerissen und erneuert worden. Das war dramatisch kein Vorteil, aber ein fast unendliches Plus an melodischen und rhythmischen Möglichkeiten, ein neues Leben aus der Musik heraus, das die längst am Stofflichen Kränkelnde noch einmal gesund machte. Das Wort vom Sterben der Operette besteht nämlich zu Recht und Unrecht. Sie liegt immer im Sterben, solange sie nur Szenenschreiber und keinen Dichter hat. Aber der begabteste Dichter könnte sie nicht lebendig machen, denn ihr Herzschlag ist der des Komponisten.

Wie viele Bühnenwerke gerade Lehars sind ein Beweis, daß selbst Marionetten lebendig werden durch das singende Blut des musikalischen Einfalls! Freilich eines aus der Fülle strömenden Einfalls, der nicht von Brosamen lebt, sondern reicher wird, je voller er sich verströmt. Wer hat, der hat, gilt hier noch unbedingter als in der ernsten Musik, denn die leichte Muse ist keine leichte Kunst. Sie bedarf ebenso des gelernten Handwerks in einem Grade, daß sie spielend gestalten kann. Eine Partitur ist erst dann fertig, wenn die letzten Spuren von Arbeit verwischt sind, sagt Offenbach. So war es bei ihm, so war es bei Strauß, und so war es bei Franz Lehar. Mit ihm geht der letzte Großmeister der Operette von uns. Sein Name verbleibt, ein österreichisches Erbe, der Welt.

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