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Mehr als Herz-Schmerz

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Eduard Macku hatte Gründe, zur Kröffnung der 35.Operetten-Festspiele in Bad Ischl den Triumphmarsch von Franz Lehär zu dirigieren. Am Abend leitete er beim „Grafen von Luxemburg” nur noch die Ouvertüre, dann übergab er den Taktstock sei-nefn Schüler Walter Erla. Eduard Macku hat soeben seinen 94. Geburtstag gefeiert, er kann sich nun zufrieden

zurückziehen. Jahrzehntelang hat man die Operette tot gesagt, er hat durchgehalten, den Glauben an die Lebensfähigkeit der leichten Muse ebenso bewahrt, wie die Feinheiten von Rhythmus und Rubato, die Dosierung von Süße und Schmalz, vor allem aber das Hören und Reagie-ren auf die Sänger, ihre Augenblicks-Stimmung und -Verfassung.

Vielerorts besinnt man sich jetzt auf die Operette. Früher beherrschte sie die Seebühne in Bregenz wie den Wiener Musiksommer. Dann kam das

Musical, in Bregenz hatte man Opern-Ambitionen. Dafür aber wächst am anderen Ende von Österreich, in Mörbisch am Neusiedlersee. die Seebühne jedes Jahr ein Stückchen weiter — wie auch die Zuschauer-Tribünen. In diesem Jahr spielt man den „Bettelstudent”. Intendant ist jener Harald Serafin. der früher Sommer für Sommer in Wien den Danilo in der „Lustigen Witwe” sang, alternierend mit Johannes Hee-sters. Nun wird in Y\ ien plötzlich auch wieder die „Lustige W Uwe” gespielt, außerdem

im Großen Saal des Rathauses (bei schönem Wetter im Hof) „Die Csardasfürstin”. Zwar werden immer noch Musical-Theater neu eröffnet, aber auch in diesen denkt man an Abwechslung durch die gute alte Operette.

Was heißt „alt”? Es .ist natürlich vielfach eine Operette, die mit Musical-Erfahrungen produziert wird. Die Solisten müssen so gut bei Stimme sein wie in der Oper, so beweglich wie im Musical.

Götz Friedrich hat in seinem Berliner Opernhaus ein Beispiel gegeben: Da kann man

den klassischen Einakter von Franz von Suppe in einer erweiterten Neufassung sehen: „Galathee, die Schöne”. Moderne Handlung, witziger Text - leider versteht man ihn Schlecht, weil die Sänger zwar von der Oper aber vielfach Ausländer sind. Am Text liegt viel bei der Operette.

Zwar ist die alte Herz- und Schmerzpoesie der Arien und Chansons besser als ihr Ruf, aber die Prosa dazwischen bedarf zuweilen der Aktualisierung, da fehlt es an witzigen Autoren. Glückliches England, wo immerhin ein Tom Stopard die gesprochenen Dialoge durch eine humorvolle Nacherzählung der Handlung ersetzte. Nachzuhören in der Aufnahme der „Lustigen Witwe” unter der Leitung von Franz Welser-Möst.

Auch von Nikolaus Har noncourt und John Eliot Gardiner gibt es neue Operetten-Aufnahmen, der Kabarettist Werner Schneyder hat in München einen zauberhaften „Walzertraum” inszeniert. Im Berliner Metropol-Theater, wo kürzlich erst die „Frühjahrs-Parade” von Robert Stolz marschierte, bereitet Rene Kollo einen Spielplan vor, in dem die Operette ihr Recht behält. In Hamburg ist das „Weiße Rößl” die Sommerattraktion. Warum die Bemühungen um die Operette, in die sich immer mehr Prominente einschalten (Wie gern und gut dirigiert Placido Domingo die „Fledermaus”!)?

„Man hat einen Riesenhunger auf Operette”, sagt Konstantin Schenk, der Sohn von Otto, der jetzt die Wiener „Lustige Witwe” dirigiert. „Man zeigt auf der Bühne wieder Gefühle, wünscht sich Erotik und fürchtet sich nicht mehr Schmalz”. Gewiß, das Repertoire ist schmal geworden. Von hunderten mehr oder weniger. großen Erfolgen der „Goldenen” und „Silbernen” Ära sind vielleicht ein Dutzend vielerprobte geblieben.

Auch in Bad Ischl hat man sie immer wieder auf den Spielplan gesetzt, wobei es Ehrensache ist, daß allsommerlich eines der aufgeführten Werke von Franz Lehär stammt.

Bad Ischl war durch ein halbes Jahrhundert die Sommerresidenz des Kaiser Franz Joseph. Um ihn gruppierte sich Prominenz aller Sparten zur Sommerfrische, darunter auch die Komponisten, Textdichter und Sänger der Operette. Franz Lehar war mit seiner heute zum Museum umkonstruierten Villa hier ansässig und Ehrenbürger.

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