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Die vergoldete Fledermaus

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Der Start der Straußschen „Fledermaus“, dieser erfreulichsten und erfolgreichsten aller Operetten, fand, wie man weiß, im Schatten des großen Wiener Börsenkrachs statt und war nicht so glanzvoll, wid er hätte sein können. So gab es im Uraufführung6jahr 1874 nur 16 Wiederholungen. Aber schon 1876 konnte man in Wien die 100., in Berlin sogar die 200. Aufführung feiern. Und Paris hatte die „Fledermaus“ unter dem Titel „La Tzigane“ wie ein ortseigenes Erzeugnis bejubelt. Nicht ohne Grund. Der Stoff war den Parisern aus dem Vaudeville „Re- veillon“ von Meihalc und Halevy bekannt. Und die Musik … Nun, Johann Strauß hatte Offenbach und das zweite Kaiserreich erlebt, und seine kosmopolitisch gestimmte Natur hat die gallische Grazie von Auber, Adam und Halevy nicht nur zu schätzen gewußt, sondern auch sich zu assimilieren verstanden. So erwuchs, aus Wiener Boden und in Wiener Luft, ein allen verständlicher Weltdialekt.

In ihrem 20. Lebensjahr wurde die „Fledermaus" in den Adelsstand erhoben: Gustav Mahler brachte sie in Hamburg als „komische Oper“ heraus, und in Wien zog sie in die Hofoper ein. Im Jahr 1900 wurde sie zum erstenmal als Silvestervorstellung gegeben, und 1920 dirigierte sie (ein einziges Mal) Richard Strauss mit

Maria Jeritza als Rosalinde und Leo Slezak als Alfred. Seither ist die Reibe glanzvoller Inszenierungen und Besetzungen nicht mehr abgerissen. Aber aus der Staatsoper wanderte die „Fledermaus" in die Volksoper, bis sie Herbert von Karajan zu Silvester 1960 „heimgeholt" hat.

Wie zu erwarten war, ist es eine richtige Nobelaufführung geworden. Den Gold- glanz empfing die neue „Fledermaus1 zunächst vom Musikalischen her. Karajans

Klangkultur ist bekannt, desgleichen seine Präzisionsarbeit. Beide haben (wir sprechen vom zweiten Abend, also von der Aufführung am 1. Jänner) auch mit dieser Partitur Triumphe gefeiert. Für die noble Eleganz der Strauß-Musik hat Karajan ein empfindliches Organ, das Wienerische spricht ihn weniger an, es dominiert durchaus der „Weltdialekt“. Das gilt im Grunde auch von den Bühnenbildern Teo Ottos, obwohl in eines von den dreien der Stephansturm hereinschaut. Aber der Salon Orlowskys könnte überall in einer der eleganten europäischen Städte um 1870 angesiedelt sein: in Paris, Wien, St. Petersburg oder Bukarest. (In Wirklichkeit war er in Paris, und Orlowsky selbst hat sein Urbild in dem jungen russischen Fürsten Demidoff, über dessen mondäne Exzesse man sich in Paris lustig machte.) ln den Bühnenbildern wie in den vielen Kostümen Erni Knieperts regierte ein subtiler Geschmack, und man konnte auch mit Befriedigung feststellen, daß Regisseur und Bühnenbildner Hand in Hand gearbeitet haben. Leopold Lindtberg versucht, die ihm anvertrauten Sänger wie Schauspieler zu führen, und so wirkt vieles frisch und unkonventionell. Im großen und ganzen aber hält sieh Lindtberg an den traditionellen lnszenieiungsstil dieses Werkes, und das wird ihm niemand verübeln. Das tut auch Janine Charrat in den sechs Tänzen der Balletteinlage. Das Nationale wirkt nut als Akzidenz, also auch hier der „Weltdialekt“. — Die Kostüme, und zwar nicht nur die des Balletts, verdienen besonders hervorgehoben zu werden. Hier gab es ebenso reizvolle wie aparte Farbkontraste und Zusammenklänge (Lichtblau-Rosa-Moosgrün, Lila-Grün und rosenfarben), dazu der schwarze Seidensamt von Rosalindes. Robe oder das kirschrote Ballkleid der Zofe Ida mit lustig abgebundenem Rock und tief an- gesetzten Volants.

Und was in den Kleidern steckte, war von nicht geringerer Qualität. Hilde Güden und Eberhard Wächter (als Ehepaar Eisenstein) waren gleich vollkommen in Erscheinung, Spiel und Gesang. Erich Kunz (Gefängnisdirektor), Gerhard Stolze (Prinz Orlofsky) und Giuseppe Zampieri (als Tenorino Alfred) boten feine und wirklich lustige Charakterfiguren. Von den beiden Schwestern Adele und Ida (Rita Streich und Elfriede Ott) geben wir der letzteren den Vorzug. Josef Meinrad als Gerichtsdiener Frosch war eine Nummer für sich. Viel Beifall für alle Mitwirkenden auf der Bühne und im Orchester. Helmut A.

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