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Musikkultur am Gürtel

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Die sehr interessante Ausstellung anläßlich des 75jährigen Bestandes des Hauses am Währingergürtel stellt eine Reminiszenz an große künstlerische Ereignisse in diesem Theater dar. Ein Hauptgewicht der Exposition ist auf die Zeit nach 1945 gelegt, welche den Charakter dieser Bühne als Pflegestätte der klassischen Operette und der volkstümlichen Oper prägte. Ein kleiner Schönheitsfehler der Schau besteht darin, daß sie sowohl auf die staunenswerte Arbeitsleistung und das einmalige Entdeckertalent des „Geheimen Hofrates“ Rainer Simons als auch auf die glanzvolle Direktionszeit Felix Weingartners mit ihrer Wagner- und Mozart-Pflege zu wenig hinweist. Mit dem Schreiber dieser Zeilen, als jungem Mitglied und Betriebsrat des Hauses in engerem Kontakt mit dem großen Dirigenten, sprach dieser häufig über die ihm zu Unrecht gemachten Vorwürfe wegen seiner vielen Gastspielreisen, obwohl er oft am Dirigentenpult der Volksoper erschien und auch einige glanzvolle Neueinstudierungen („Hochzeit des Figaro“, „Stumme von Portici“ und „Lustige Weiber“) vorgenommen hatte. Der Abgang Weingartners 1924 konnte durch die Übernahme der Leitung durch Dr. Stiedry keineswegs ersetzt werden, so daß es unter ihm zur Schließung des Theaters kam. Die ausgestellten Bilder zeigen von Rainer Simons an alle Direktoren des Hauses, so Raoul Mader, Weingart-ner, Stiedry, Baumann. Jölli (nationalsozialistische Ära), Salmhofer, Juch, Moser und den jetzigen Intendanten Karl Dbnch.

Wesentlichste Aufschlüsse über die jüngste Vergangenheit des Hauses mit seinem Spielplan mit klassischen Operetten und der volkstümlichen Oper geben die zahlreichen Bühnenbilder Neumann-Spallarts, Schneider-Siemssens und Walter von Hoesslins. Daß die schon so oft totgesagte Operette lebt, beweist ihre in der Volksoper mit 1947 beginnende Renaissance mit dem „Bettelstudenten“, was als eine geschichtliche Tat gelten kann. Ihr durchschlagender Erfolg hatte Auslandsgastspiele in Stockholm, Helsinki, Rejkjavik, Düsseldorf, Zürich und bei den Bregenzer Festspielen zur Folge, denen sich jetzt die türkische Staatsoper in Ankara anschließt. Hoesslin hatte als Inspiration für seine Bühnenbilder das „Komödien-Parterre“ Lukas von Hildebrands im Palais Schönborn benützt. Ein drehbares Modell dieser Ausstattung ist zu sehen; nicht minder interessant ist das Modell, welches das mehrfach kombinierte, von Hoesslin geschaffene Drehbühnensystem des Theaters zeigt. Dem Erfolg des „Bettelstudenten“ schlössen sich alle Strauß-Werke, aber auch „Boccaccio“, „Vogelhändler“, „Opernball“ und andere Operetten an. Die Oper ist mit Bildern der „Verkauften Braut“, „Evangelimann“, „Martha“, „Fra Diavolo“, „Die Kluge“ (Orff), „Werbekleid“ (Salmhofer) usw. vertreten. Alles in allem: Die Schau kann als würdiger, aufschlußreicher Beitrag zum Jubiläum des Hauses gelten, das als eine der beiden staatlichen Musikbühnen aus dem Kunstleben Österreichs und speziell Wiens nicht mehr wegzudenken ist.

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