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Von Wagner bis Lehar
So lange das große Opernhaus nicht wiederaufgebaut ist, müssen wir uns bei einigen Wagner-Opern mit konzertanten Aufführungen oder Fragmenten begnügen. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb der Wiener Männergesangverein aufs Programm seines Festkonzertes zum Gedenken an Wagners 70. Todestag die Trauermusik und den Mannenchor aus „Götterdämmerung“ und den „Karfreitagszauber“ sowie die Gralsritterchöre des ersten Aktes setzte. Ein anderes mag die aus der virtuosen Beherrschung der Mittel resultierende Dankbarkeit und Wirkungssicherheit dieser Chorsätze sein, die nicht geringer ist als die der effektvoll-robusteren aus „Rienzi“, dem „Holländer“ und „Tannhäuser“, die den zweiten Teil des von Karl Etti geleiteten Konzertes bildeten, dessen Orchesterpart die Wiener Symphoniker bestritten.
Die Aufführung von Kurt W e i 11 s Singspiel für College-Ensembles „Down in the V a 1-1 e y“ im Kosmos-Theater durch amerikanische Studenten und den Akademie-Kammerchor mit Kurt Rapf und Hans Kann an zwei Klavieren bestätigte den negativen Eindruck, den wir nach der Aufführung im Clam Gallas Service Club vor knapp zwei Jahren („Die Furche“, 1951, Nf. 29) gewannen. Dieser hochtalentierte Komponist strebte auf dem kürzesten Weg zum Erfolg, verkaufte sich, seiner eigenen Drei-Groschen-Moral folgend („Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm“), für gute Dollars und landete „Drunten im Tal“, wo der Unterhaltungskitsch blüht.
Franz Lehärs „Lustige Witwe“, vor einem halben Jahrhundert der größte Operettenschlager, ist nun als alte Dame opernfähig geworden und feiert in der Staatsoper-Volksoper ein fröhliches Comeback als weitere Station in der munter abgleitenden Spielplanlinie Offenbach-Millöcker-Lehär-? Niemand weiß, wo dieses Toto enden wird. Denn es bleibt, so viel Schönes und beinahe Opernhaftes Ester Rethy, Fred Liewehr und Waldemar Kment aus der Partitur herausholten und so vergnüglich Franz Böheim den Njegus, diesen älteren Bruder der Benizek u. a. zu typisieren wußte, wie auch die meisten anderen Darsteller ihre Figuren — es bleibt des Verwunderlichen genug: warum die Staatsoper der Operette immer ernstere Konkurrenz macht; warum die Volksoper anstatt zu Lortzing, Wenzel Müller, Weigl, Schenk (wenn man schon ausgraben muß) zu Lehär flüchtet und Opern-, also Staatsgelder in eine Sache steckt, die zwar Vergangenheit zu schauen und zu hören, aber nicht zu erleben gibt; wieso allerdings auch ein heutiges Premierenpublikum dem kitschigsten Liede dieser Operette, dem von Vilja, dem Waldmägdelein, betont ostentativen Beifall zollt? Und es bleibt, um das Beste zum Schluß zu sagen, die geschmackvolle und kultivierte Art löblich, mit der die alte lustige Witwe verjüngt wird.
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