6584164-1951_35_11.jpg
Digital In Arbeit

Egger-Lienz in Innsbruck

Werbung
Werbung
Werbung

„Stil ist das Vermögen, wahr zu sein“, hat Albin Egger-Lienz einmal gesagt, dessen Todestag 6ich heuer zum fünfundzwanzigsten Male jährt. Aus diesem Anlaß hat die Tiroler Landesregierung jüngst eine Ausstellung zum Gedächtnis des Künstlers eröffnet.

Albin Egger-Lienz — hart, kantig, großzügig, streng — ist der scharfe Formgeber, zuweilen geradezu antikoloristisch, immer wuchtig, fast architektonisch wirkend und voll dramatischer Kraft und erdrückender Eindring-

lichkeit. Wenn wir vor seinen Werken stehen, bekommt 6em Name stets von neuem Glanz. Lienz, das freundliche, nahe der Kärntner Grenze gelegene Osttiroler Städtchen, in dessen unmittelbarer Nähe Albin Egger 1868 geboren wurde, ist ein wesentlicher Bestandteil seines Namens. Um Tirol, um 6eine Menschen und auch um 6eine Landschaft kreist das Schaffen, das vom Pustertal ausgeht und immer wieder dahmneigt. Der Blick aber ist nicht eng. Die Wurzeln des Künstlers sind eng mit dem Heimatboden verstrickt, die Krone aber hebt sich in das große, gesamtösterreichische Kunstwollen Wien, Weimar, der erste Weltkrieg, das sind Lebens6tationen außerhalb der engen Heimat. Daneben sehen wir die Kerben der künstlerischen Entwicklung. Die einzelnen Stufen dieses Werdens uns deutlich zu machen, das ist das Bemühen der umfangreichen Gedächtnisausstellung im Innsbrucker Ferdinandeum.

In einem eigenen Raum lebt der Krieg von Anno 1914 bis 1918. In dem Großwerk „Der Mensch“ von 1914 wird bereits alles Kommende in einer unsagbar ergreifenden Seherart dargestellt. Alles Malerische bleibt zurück und wird durch eine schon jetzt suggestiv wirkende Farbkonzentrierung auf einen durchgehenden Ton und durch eine rasch herrschend werdende Gewalt der Linie abgelöst. Mächtig, von seelischer Erregung bi6 zum Bersten voll, haften die in höchster Einfachheit gegebenen Gestalten auf der Erde, ein faustisches Aufbäumen in der Mitte, ein demütiges Einordnen in die Erdgebundenheit daneben.

Die Nachkriegszeit gipfelt in dem großen Gemälde „Krieg6frauen“. Not läßt die Spinnrocken der Frauen leerlaufen, Not, die den Händen das Notwendigste entwindet, verzerrt die Gesichter, macht die Augen stumpf, die Münder schreiend. Wie im Hungertaumel verzerrt sich selbst der heilige Raum der Stube. Still sitzen dagegen „Die Alten“, die der Tod empfängt, ihnen gleich, armselig gebückt. Hier ist die Farbe noch gesteigerter, und noch mehr als bisher liegt neben dem Seelischen alle Kraft der höchsten Reife der Linie. Dabei ist dieses mit sparsamsten Mitteln gemalte Werk bei aller tiefen Trauer im Grunde doch nicht hoffnungslos, denn auch hinter diesem Ende der Menschen erscheint die ewige göttliche Güte, der wir noch stärker und spürbarer in den „Müttern“ begegnen, im „Auferstandenen“ und in der „Pieta“, wo — wie eine Innsbruckerin so schön zu 6agen wußte — „der nackte Leichnam, auf nacktem Tisch liegend, Opfer, Speise und Pfand bedeutet der im innersten Wesen vollzogenen Einheit von Gott und Mensch“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung