7124224-1996_49_09.jpg
Digital In Arbeit

Kleine braune Scheiben mit Malzgeschmack

19451960198020002020

Hostien, bescheidenes und doch zentrales Detail jeder Eucharistiefeier, sind Lebensmittel im wahrsten Sinne des Wortes.

19451960198020002020

Hostien, bescheidenes und doch zentrales Detail jeder Eucharistiefeier, sind Lebensmittel im wahrsten Sinne des Wortes.

Werbung
Werbung
Werbung

Rund neun Millionen Stück Oblaten verlassen alljährlich die' Herz-Jesu-Pfarre in Mödling, Niederösterreich: hier befindet sich Österreichs größte Hostienbäckerei, ein Zweigbetrieb des Missionshauses St. Gabriel. Mit Ausnahme Vorarlbergs werden an die 1000 Kunden in allen Bundesländern beliefert - darunter auch zwölf evangelische Gemeinden. Größter Abnehmer ist die Erzdiözese Wien mit 1,8 Millionen Hostien.

Das Wort Hostie kommt vom lateinischen kostia, was „Opfer(tier)” bedeutet. Seit dem elften und zwölften Jahrhundert wird das kleine Weizenbrot für die Volkskommunion in dünnen Scheiben gebacken - zumeist von Klosterangehörigen. Auch in Osterreich befinden sich noch rund ein Dutzend kleiner Hostienbäckereien in Klöstern. So etwa bei den Kar-melitinnen am Hanschweg in Wien und in Jeutendorf in Linz, in Mariazell oder im Kloster Wernberg, Kärnten.

Das Rezept für die kleinen ungesäuerten Brotscheiben ist 900 Jahre alt. Der Benediktinerabt Wilhelm von Hirsau schrieb anno 1080 die „Regeln zur Bereitung von Hostien” nieder. Der Teig besteht aus 20 Kilogramm griffigem Mehl und 30 Litern Wasser. In den letzten Jahren kamen zu den kleinen weißen Scheiben auch noch bräunliche mit Malzgeschmack dazu - tempora mutanter.

Das Backen der Hostien vollzieht sich in einer relativ neuen Waffelmaschine: Vollautomatisch, mit Teigzufuhr und rotierenden Backtrommeln. Alte Backeisen wurden in das ehemalige Jugoslawien und nach Bumänien geschickt. An der Maschine selbst ist

Wir danken allen unseren Leserinnen und Lesern im voraus für ihre Beteiligung an der Aktion T

„Gemeinsam gegen Kinderblindheit” der Christoffel-Blindenmission. Entsprechende Zahlscheine finden Sie der heutigen Furche-Ausgabe beigelegt. Außerdem liegt einem Teil deieser Ausgabe ein Zahlschein von SOS-Mitmensch bei. nur eine Arbeiterin mit der Kontrolle beschäftigt und schneidet die überhängenden Teigreste ab. Nach 74 Sekunden ist eine Lage Oblaten in zwei Größen fertig: Zu den neun Millionen kleinen Hostien pro Jahr kommen noch 400.000 Stück große mit Kreuz -prägung für Wandlung und Monstranz dazu.

Die fertigen Waffelplatten lagern einige Stunden lang in einem Befeuchtungsraum; schließlich erhalten die Hostien in einer Stanzmaschine ihre endgültige Form. Vor dem Versand gibt es noch eine Endkontrolle auf einem Leuchttisch: Der nicht eben geringe Abfall, rund ein Drittel der Produktion wegen Fehlern wie Bissen und Luftblasen -einige Plastikkisten voll - wird von einem Schweinebauern in der Hinterbrühl abgeholt.

Früher war die Produktion größer: Zum „Spitzenjahr” zählte das Jahr 1972 - damals wurden 15 Millionen Hostien erzeugt. „Priestermangel und der Rückgang an Meßbesuchen sich sicher eine der Ursachen für die geringere Stückzahl”, sagt der Leiter der Hostienbäckerei, Pfarrer Jonas Taucher: Seit der liturgischen Erneuerung wird mancherorts auch echtes Brot verwendet. Zu 1000 Stück verpackt kosten die Hostien die Gemeinden 157 Schilling. 100 große Hostien werden mit 68 Schilling verrechnet. Trocken gelagert sind die Oblaten rund ein Jahr haltbar.

Besucher der Hostienbäckerei kamen sogar aus den USA. Mit dem Know-How der Herz-Jesu-Pfarre in Mödling erzeugen sie jetzt Hostien für den anglo-ameri-kanischen Baum. Alljährlich vor der Erstkommunion werden Volksschüler in Gruppen durch die Räume geführt und erhalten auch Kostproben. Eine Achtjährige strahlt: „Da ist Jesus drin!” -„Jetzt noch nicht”, korrigiert Pfarrer Taucher schmunzelnd, „erst nach der Wandlung bei der Heiligen Messe.”

Die Geschichte der ungesäuerten Brote reicht bis in das Alte Testament zurück, eine Erinnerung an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und das Paschamahl Jesu, das letzte Abendmahl. Die Israeliten - 600.000 Mann zu Fuß unterwegs - hatten auf ihrer Flucht keine Zeit, Hefe anzusetzen. So entstanden Fladen, das ungesäuerte Brot in der Wüste (Ex 12, 37-49 und 13, 11-16): „Die Israeliten brachen von Ramses nach Sukkot auf. Es waren an die 600.000 Mann zu Fuß unterwegs, nicht gerechnet die Kinder. Auch ein großer Haufen anderer Leute zog mit, dazu Schafe, Ziegen und Rinder, eine sehr große Menge Vieh. Aus dem Teig, den sie aus Ägypten mitgebracht hatten, backten sie ungesäuerte Brotfladen, denn der Teig war nicht durchsäuert, weil sie aus Ägypten verjagt worden waren und nicht einmal Zeit hatten, für Reiseverpfle-gung zu sorgen.”

Jesus läßt seine Apostel am Tag der Ungesäuerten Brote das Paschamahl vorbereiten (Lk 22, 14-19): „Als die Stunde gekommen war, begab er sich mit den Aposteln zu Tisch. Und er sagte zu ihnen: Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis das Mahl seine Erfüllung findet im Beich Gottes. Und er nahm den Kelch, sprach das Dankegebet und sagte: Nehmt den Wein und verteilt ihn untereinander! Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Beich Gottes kommt. Und er nahm das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis!”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung