Verzweifeltes Scheitern

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Mit Bernhard Strobel macht ein junger Autor auf sich aufmerksam: als sorgfältiger und subtiler Arbeiter an der Sprache.

Sackgasse", so heißt die letzte der neun Erzählungen, die der junge burgenländische Autor unter diesem Titel versammelt. Er passt wie selten einer als gemeinsames Dach für einen Erzählband, mit dem sich Bernhard Strobel als erstaunlich sorgfältiger und subtiler Spracharbeiter präsentiert.

Alle neun Erzählungen sezieren das verzweifelte Scheitern in Kommunikationssituationen. Es sind synchrone Schnitte im Alltagsleben durchschnittlicher Personen und Paare, angesiedelt in der eher angedeuteten Peripherie der Eigenheimsiedlung; der kleine Gartenfleck hinterm Haus wird immer wieder als Kulisse und untauglicher Fluchtort eingespielt.

Unfähigkeit zu erkennen

Alle Figuren sind in einer Art krisenhafter Sackgasse gelandet: Das Zusammenleben auf engem Raum, die Unfähigkeit, das, worum es gehen würde, zu erkennen, geschweige denn zu formulieren oder gar auszusprechen, die Langeweile und Verzweiflung an den flachen Ritualen der Feierabendkommunikation, sei es daheim, im Wirtshaus oder auf einer Party. Das erzeugt ein beklemmendes Potenzial an mühsam beherrschten Aggressionen. Fast körperlich sichtbar kriecht der Hass in den Figuren hoch, raubt ihnen die Luft und schließt sie noch weiter in sich ein, ohne dass sie sich selbst dabei näher kommen würden.

Wo Paare auftreten, gibt es keine Gewinner und Verlierer. Auch wenn Strobel die verqueren Selbstbehauptungs- und Abwehrmechanismen der Männer vorführt, bleibt in der Art, wie hier von den stummen Paarkämpfen erzählt wird, das weibliche Gegenüber mit seiner "Version" der Geschichte präsent. Wir erfahren nicht, was die Frauen denken, aber die Szenarien führen diese Leerstelle vor. Würden wir die weibliche Stimme hören, wäre der Subtext nicht der gleiche, aber strukturell derselbe.

Strobel führt vor, welche Verrenkungen die Akteure in Kauf nehmen (müssen), nur weil sie in völlig belanglosen Dingen und Situationen glauben, irgendeine Haltung bewahren zu müssen. Wie da der Ehemann in der Garderobe sinnlos seine Manteltaschen durchwühlt und kein Ende findet, weil er meint, damit der verhassten Schwägerin seine Missachtung zu beweisen, oder ein anderer sich auf der Party strategisch zu positionieren versucht, damit, wer immer ihn beobachtet, "zumindest davon ausgehen" kann, dass er "nicht ganz umsonst hier gewesen war". Wie viel Energie wird hier darauf verschwendet, nach außen "einen Mantel der Gleichgültigkeit" um sich zu breiten, den entweder keiner beachtet oder der sowieso nicht funktioniert.

Wem gelingt schon das totale Abschalten und Aussperren der Umwelt, selbst der Walkman bei der Gartenarbeit schützt nicht zuverlässig vorm Ehestreit der Nachbarn. Wie die Katze vor dem Mausloch starren alle diese Möchtegern-einsamen-Wölfe auf jede Regung des Gegenüber und können nicht aufhören, alles zu hören, wovor sie die Ohren so gerne verschließen würden. Sie tun nur so, als würden sie nichts wahrnehmen und müssen doch alles registrieren, denn gerade wo Hassgefühle im Spiel sind, situativ oder prinzipiell, "ist das Gehirn oft in der Lage, den belanglosesten Einzelheiten eine maßlose Wichtigkeit anzudichten".

Absichtvoll im Dunkeln

Was die Figuren in die emotionale Sackgasse geführt hat, wird nur aus Andeutungen entschlüsselbar, bleibt manchmal auch absichtsvoll im Dunkeln. Es sind Momentaufnahmen von lange schwelenden, unausgesprochenen, auch unbewussten Konflikten, die mitunter unmotiviert ausbrechen.

Strobel ist dabei keineswegs nur ein genauer Beobachter von Paarverhalten. Mit zu den besten Szenen gehören jene, die ungleiche Kommunikationsstrukturen unter Männern sezieren. Mit polternden, schulterklopfenden Männern, denen "der Erfolg aus jeder Öffnung" quillt, haben die Protagonisten dieser Erzählung alle ihre Schwierigkeiten. So feine Analysen versteckter wie plumper Machtsignale und -rituale sind in der Literatur von Männern selten zu finden.

Wie subtil das Buch in sich komponiert ist, zeigt auch die Positionierung der Titelerzählung am Schluss des Bandes: Es ist ein Ehestreit der etwas vertrackten Art, wir erfahren wenig über die Vorgeschichte. Aber im Schlussbild findet der Mann zu einer, wenn auch etwas unbeholfenen Geste körperlicher Nähe, die in den meisten anderen Fallgeschichten unterbleibt oder misslingt. Mit seinem präzisen und verhaltenen Ton liegt Bernhard Strobel vielleicht nicht im Trend, aber es ist zu hoffen, dass er trotzdem gebührend gehört wird.

Sackgasse

Erzählungen von Bernhard Strobel

Droschl Verlag, Graz 2007

127 Seiten, geb., € 16,50

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