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Wie schön ist die Prinzessin Salome

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Günther Rennert stellt das makabre Spiel um den Kopf des Jochanaan in einen diabolischen Kontrast zwischen der von der Glut der morgenländischen, erbarmungslosen Sonne zerrissenen und zerfurchten Wüstenlandschaft (Bühnenbild) und dem dekadenten, orientalischen Prunk eines privilegierten Königshauses (Kostüme), beispielhaft realisiert von Rudolf Heinrich. Deutlicher als in anderen Interpretationen dieses immer vriSSÄB W WgWepkes, tritt tage, die Prinzessin Salome ist gewissermaßen ein ganz reales Ergebnis aus Herodes und Herodias, nur, daß sich Salome noch im Stadium der Naivität befindet, zunächst neugierig, dann leidenschaftlich, später rachedurstig und zuletzt enttäuscht. Rennert hat den Jugendstil, der dieser „Salome“ anhaftet, weitgehend verbannt, hat aber die Glut des Expressionismus durchaus zu entfachen verstanden und traf sich hier in exemplarischer Weise mit dem kurz darnach verstorbenen musikalischen Chef des Hauses, Joseph Keil- berth, der aus dieser genialischen Partitur nicht nur Funken, sondern lodernde Flammen schlug.

Den überragenden Szeniker Rennert konnte man in erster Linie daran erkennen, wie er mit seiner schwedischen Salome Gunilla af Malmborg arbeitete, die durch diese Münchner Festspielpremiere in die internationale Spitzenklasse aufgerückt ist. Diese „Salome“ ist keine „Lulu“, sie ist weder psychopathisch noch übermäßig erotisch, noch ist sie ein laszives Luder, das alles sind nur Kriterien für die illustren Eltern (vielleicht auch ein Grund dafür, daß sich hier die Akzente etwas verschoben haben und somit auch das Königspaar in den Mittelpunkt des Publikumsinteresses rückte). Salome ist bei Rennert ein Triebwesen, das sich des Triebes jedoch noch gar nicht bewußt ist, ein verwöhntes Mädchen, das herausgefunden hat,

vom Vater alles verlangen zu können, wenn es ihm nur im Tanz zu gefallen versteht, ihn willig machen kann, wenn sie, ihm zur Freude, ihre kreatürliche Potenz mit dem Instinkt einer aufkeimenden Fraulichkeit offenbart. Oh, wie schön ist die Prinzessin Salome

Gunilla af Malmborg ist dieser Version Rennerts schauspielerisch in bewundernswerter Weise gerecht geworden. Noch hat ihre Stimme nicht ganz die entsprechende Ausgeglichenheit erreicht, es fehlen bisweilen die Übergänge zwischen def sät- ten, sonoren Mittellage und den strahlenden Spitzentönen, und doch ist sie eine große Entdeckung, eine Sängerin, die jetzt schon alles mitbringt, was man von Elitesängern erwartet, und bei guter und schonungsreicher Führung des exzellenten Materials wird sie in absehbarer Zeit zu den ersten ihres Faches zählen. Jochanaan, Narraboth und der Page der Herodias sind mit Thomas Stewart, Horst Hoffmann und Brigitte Faßbaender repräsentativ besetzt, und Friedrich Lenz, David Thaw, Franz Klarwein, Lorenz Fehenberger, Max Proebstl, Kurt Böhme, Carl Hoppe, Heinz Imdahl, Albrecht Peter, Arthur Horn und Ingeborg Schneider runden das Ensemble gut ab. Uber Astrid Varnay und Gerhard Stolze als Herodias und Herodes läßt sich nur in Superlativen berichten. Hier sind Charakterdarsteller am Werk, die von Rennert bis an die Grenzen der Intensität getrieben werden Und geben so der Szene das morbide Flair und die schizophrene Exaltiertheit. Das ist modernes Musiktheater! Dazu Joseph Keilberth, der als eine seiner letzten Glanzleistungen das Bayerische Staatsorchester zu dramatischen Ballungen anfeuerte, ohne auch nur eine Phase der StrauBsischen Charaktern.siierungs- kunst zu übergehen. Der Elan Keil- berths führte alle Bedenken hinsichtlich eines beginnenden „Altersstils“ ad absurdum.

Karl-Robert Danler

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