Äh-äh und andere Töne

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In Radio und TV sind die Sprecher den Redakteuren gewichen: Wo bleibt die Sprache?

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In Radio und TV sind die Sprecher den Redakteuren gewichen: Wo bleibt die Sprache?

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Äh", beginnt die Moderatorin des Morgenjournals, "Sie hören nun, äh, das Morgen-äh-journal." Die es sagt, ist, wie gesagt, Moderatorin. Das Wort hat mit dem wienerischen Vokabel "moderieren", was so viel heißt wie sich mäßigen, nichts zu tun. Jedenfalls ist die Dame keine Sprecherin, sie ist Redakteurin, und nimmt sich daher das Recht, nicht eben Burgtheaterdeutsch parlieren zu müssen.

Dann aber spricht ein sogenannter Nachrichtensprecher die Nachrichten, und falls er etwa Georg Schubert heißt, kann's ein netter Zeitvertreib sein, sich im vorhinein eine Art Lotto über die Anzahl seiner Versprecher zurechtzulegen. Es ist nämlich keine Frage, ob, sondern lediglich, wie oft er bei den kaum fünf Minuten währenden Meldungen entgleist, und zwar entweder weil er nicht des Lesens oder aber weil er nicht des Sprechens kundig ist. Wobei kaum einem der Stolperer eine Entschuldigung folgt, es wären derer ja tatsächlich zu viele, die Sendezeit würde überschritten werden. Daß er den Regen beim Wetterbericht wie den ehemaligen amerikanischen Präsidenten ausspricht, ist lediglich eine originelle Draufgabe seiner Sprechkunst.

Das Fernsehen hat vor Jahren, als es die geschulten Sprecher Lester, Langer und Gnedt (letzteren hört man gottlob mitunter noch aus dem Off) aus der Zeit im Bild abzog und durch Redakteure ersetzte, mit dem Sprechverfall begonnen. Die Zeiten einer Annemarie Berthe, deren gepflegtes Deutsch vielen noch heute im Ohr klingt, waren abgelaufen. Sprecherinnentests, einst teilweise zum Gaudium der Zuschauer sogar öffentlich abgehalten, gehören mittlerweile zumindest in dieser Form der Vergangenheit an. Und ein "Wia da wö" der Aussprache hat Platz gegriffen.

Besonders arg empfindet man dies als sensibler TV-Konsument in den Meldungen der Bundesland-heute-Sendungen, wo man auf Grund der Meidlinger "l" und "ei" mitunter den Eindruck hat, daß der ORF-Portier die Nachrichten vermutlich in besserer Aussprache servieren würde, als dies der diensthabende Redakteur imstande ist.

Aber zurück zum Radio. Hier geht's im anspruchsvoll sein wollenden Sender Österreich 1, was das gesprochene Wort betrifft, ganz schön rund. Eine Dame namens Sibylle Norden etwa verabschiedet sich, soferne sie die Frühmusik namens "Guten Morgen Österreich" mit ihren Ansagen beglückt, zwischen den von Nachrichten unterbrochenen einzelnen Teilen dieser Sendung mit einem schnoddrigen "Bis dann", was immer das heißen soll. Und ob sie und auch viele ihrer Kollegen und Kolleginnen die einzelnen Musiknummern, so, wie es ein Musikfreund mit Recht erwartet, mit vollem Titel, Komponisten und den Interpreten an- oder absagt, ist ausgesprochene Glückssache. So etwas deutet darauf hin, daß der jeweilige Ansager nicht eben zu den Klassikbegeisterten zu zählen ist, was allein schon ein gewisses Armutszeugnis für einen Kultursender bedeutet.

Diesem und ähnlichem ist unter anderem als Ursache anzulasten, daß es keinen Chefsprecher mehr gibt. Wenn im Nachrichtenteil ein bestimmtes Flugzeug einmal Jumbo und das andere Mal Dschumbo ausgesprochen wird, wenn man zwischen Jamaika, Dschamaika und Schamäika schwankt und wenn man einmal "Nachrichten in englischer und in französischer Sprache" ansagt, das andere Mal aber das zweite "in", eine grammatikalische Notwendigkeit, wegläßt, weil halt der sprechende Redakteur, der in seinem Manuskript ebenso hilflos in der Zeitenfolge umherschwimmt, des Deutschen nicht ganz mächtig ist, ergibt sich aus diesem als läßlich hingenommenen Manko möglicherweise nur noch die Erkenntnis, daß der Hörer für dumm, unaufmerksam oder gleichgültig gehalten wird.

Der Comics-Ansicht jedoch, es sei Hauptsache, aus "hamham", "seufzseufz" und "blabla" ohnehin zu erkennen, was im zur Rede stehenden Text jeweils gemeint ist, kann ich mich nicht anschließen.

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