Mut der Marionetten

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"Starmania" zeigte Selbstbewusstsein der Jugend gegenüber dem Markt.

Der wahre Sieger von Starmania heißt Bogdan Roscic. Andere buttern Millionen in Marketing, um ihre Schützlinge bekannt zu machen, der Boss von Universal Music Austria hingegen hat dank der Kooperation mit der quotenträchtigen ORF-Show gleich mehrere bei der Zielgruppe hinlänglich bekannte Popstar-Aspiranten bei der Hand. Anfang März erscheint eine Single der früh ausgeschiedenen Vera Böhnisch, bald darauf eine von Andreas Schneider, Burgenlands Antwort auf Big Brother-Zlatko, und es wäre ein Wunder, wenn nicht auch bald eine Platte der zweitplatzierten Christina Stürmer herauskäme. Mit dem offiziellen Starmania-Sieger Michael Tschuggnall hat Roscic ohnehin das große Los gezogen: der 20-jährige Tiroler nämlich ist Vollblutmusiker, er komponiert, textet und spielt mehrere Instrumente.

Keine "Reißbrett-Stars"

Wie wurde dieses Reality-Format verteufelt! Ahnungslose junge Menschen würden zum zynischen Gaudium der Zuschauer dem Moloch Popindustrie zum Fraße vorgeworfen, hieß es. Im Falle von Andreas Schneider mag das mit der Ahnungslosigkeit zutreffen, interessant aber, dass ausgerechnet der Höhepunkt von Starmania die Kritiker widerlegte: Im großen Finale emanzipierten sich die angeblichen Marionetten und "Reißbrett-Stars" selbstbewusst von einer allzu simpel verstandenen Marktlogik: Beim letzten, wohl entscheidenden Auftritt sang Christina Stürmer intelligenten deutschen Alternative-Rock der ziemlich unbekannten Sportfreunde Stiller ("Das ist die Musik, die ich später machen möchte"), Michael Tschuggnall wartete gleich mit einer Eigenkomposition auf und begleitete sich selbst am Klavier - ein mutiger Schritt, der ihm wohl den Sieg einbrachte. Seine Schnulze "Tears of Happiness" wird nun in Los Angeles produziert.

Dass am Schluss diese beiden Finalisten übrig blieben, wirft einen beredten Blick auf die Vorlieben des jungen Österreich (bei 5,9 Millionen Votings, bei einem Marktanteil von 68 Prozent, bei den 12- bis 29-jährigen Frauen sogar sagenhafte 90 Prozent, ist diese Generalisierung erlaubt). Denn sowohl Christina als auch Michael sind sympathische, bescheidene, natürliche Kumpel von nebenan, bar jeder Erotik. Die Kandidatin mit der bei weitem besten Stimme, Elisa Zsivkovits, ist frühzeitig ausgeschieden: zu attraktiv, zu sexy, zu ehrgeizig. Auch Niddl Ritzl, vielseitigste Sängerin und die einzig interessante Persönlichkeit, kam nicht ins Finale: zu unkonventionell. Da liegen auch die Grenzen eines Unternehmens wie Starmania: Starqualitäten und allgemeine Beliebtheit sind oft zwei Paar Schuhe. So mancher echte Star hätte wahrscheinlich nicht einmal die Qualifikation überstanden: Falco? Zu arrogant. DJ Ötzi? Zu rustikal.

Eine weitere Lehre aus Starmania: Dass die österreichische Musikszene prinzipiell unfähig sei, zeitgemäße Popmusik zu produzieren, hat sich als Irrtum erwiesen. Die elf Wiener Studios, in denen die Playbacks für die Live-Auftritte aufgenommen wurden, haben bewiesen, bei Bedarf einen Sound hervorzubringen, der internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht, man denke nur an die jazzige Version von "Sunny" (Niddl) oder die sommerhitverdächtige Version von "Schöner fremder Mann" (Christina). Dass es bislang keinen internationalen Pop made in Austria gibt, liegt wohl weniger am Können als an den Dünkeln der österreichischen Musikszene. Jene, die immer wieder lauthals mehr österreichische Musik "im Radio" verlangen, sind meist dieselben, die gängige Popmusik als "Einheitsbrei" und "Schund" ablehnen.

Popmusik aus Österreich

Wenn man aber volkstümlichen Schlager verabscheut, mit den auf FM4 gespielten Genres abseits des Mainstreams nichts anfangen kann - beide Biotope ein Nährboden für Musik aus Österreich - und auch nicht bereit ist, sich den ästhetischen Vorgaben des internationalen Pop zu unterwerfen, darf man sich nicht wundern, dass man nicht "im Radio" gespielt wird.

Dass Popmusik aus Österreich in Hinkunft nicht mehr automatisch als "Austropop" abgetan werden kann, ist sicher ein Verdienst von Starmania. Andere Plattenfirmen werden es schwerer haben als Universal, ihre Leute bekannt zu machen, aber wenn man sich traut, auch auf den internationalen Markt zu schielen, müsste das finanzierbar sein. Schließlich bringt auch ein kleines Land wie Schweden internationale Stars hervor - von Abba über Roxette bis zu den Cardigans.

Auch Bands wie Abba hatten zu Beginn ihrer Karriere in ihrem Heimatland einen schweren Stand, weil sie angeblich "hirnlosen Kommerz" machten. Heute sind sie Klassiker des Pop.

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