6689477-1962_31_15.jpg
Digital In Arbeit

Jedermann vor der Regenwand

Werbung
Werbung
Werbung

Da der Rechnungshof auch die Zahl der Premierenkarten beschränkte und darum den Tageszeitungen der Vorrang gelassen wurde, begannen für den Rezensenten der „Furche“ die diesjährigen Salzburger Festspiele mit dem „Jedermann“.

Es war gut, dieses Kernstück 'des Salzburger Festes als seinen Auftakt zu hören und zu sehen. Die Gültigkeit des Wortes und des Dramas Hofmannsthals haben sich einmal mehr bewiesen. Diesmal fand die Premiere auf dem Domplatz statt, unter einem sonnenlosen Himmel und vor einer bis zum Schluß zuwartenden Reigenwand. Das Bühnenlicht war mit den Revuekostümen Tony Duquette gnädiger umgegangen als das diffuse Licht dieses Tages: Sie wirkten blaß und beinahe abgespielt. Das Tageslicht hat auch Gottfried Reinhardts Regie in nicht geholfen; ihre Stärken wurden nicht stärker und ihre Schwächen nicht schwächer. Es wurden Leerläufe fühlbar, und die Anlage mancher Szenen (Tischgesellschaft bei Erscheinen des Todes, Teufelsszene) wirkte noch problematischer. Walter R e y e r s Jedermann fiel passiver und schicksalgebundener aus als im Vorjahr, dagegen Paula W e s s e 1 y s Glaube kraftvoller und großliniger. Der diesjährige Mammon Benno Sterzenbachs ist eher ein Gewinn. Es bleibt die Erkenntnis, daß die härtere Deutung des Spiels not tat, daß sie aber nur in letzter Schlichtheit der Spielführung wirklich Ausdruck finden kann und darf. Der kritische Punkt ist und bleibt Jedermanns Wandlung und Bekehrung. Daran beweisen sich Deutungskraft des Regisseurs und Darstellungskunst des Schauspielers. -

Man sagt, daß der Film dem Spiel vor dem Dom etwas von seiner Zugkraft genommen hat. Mag 6ein. Aber hier zeigt ja das Publikum der Salzburger Festspiele seine beiden Gesichter, den im Zauber der Stadt, der Landschaft und des Theaters hingegebenen Festspielgast — und den erlebnishungrigen, im visuellen und auditiven Perfektionismus aufgehenden Theaterbesucher. Hier scheiden sich die Geister, hieran entscheidet sich die Kritik des Programms. Die mittelalterlich-barocke Welt der Stadt und die Weltweite der Mozartischen Musik und aller Musik aus seinem Geist in der Vollendung des Gestaltungswillens, das bleibt Wurzel und Ziel des Salzburger Festspiels.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung