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Demokratie in den Verein ÖGB

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Schon sucht man im Hintergrund, die Rössel-Sprünge gre-mialer Willkür auszumerzen. Schon bemüht man sich emsig, den Fall Nenning doch irgendwie hinzubiegen, ihn als Alleingang einiger übereifriger Wichtigtuer der mittleren Funktionärsschicht abzutun. Als ob es nur ein Fall Günther Nenning wäre!

Wird dieser Fall auch gelöst, bleibt das Problem: Das Problem der extremen Unterordnung der Gewerkschaft unter eine Partei. Als überzeugter Gewerkschafter und aktiver Gewerkschaftsmandatar, dem eine starke und überparteiliche Bewegung ein Anliegen ist, darf man nicht nur über die Folgen empört sein, sondern muß konsequent gegen die Ursachen aufmucken.

Nein, Günther Nenning ist kein Einzelfall. Der Sturz des VEW-Arbeiterbetriebsrates Horst Skvarza ist noch in guter Erinnerung, ebenso die brutale Liquidation des gewählten Betriebsrates — vor geraumer Zeit ausführlich von der FURCHE recherchiert und dokumentiert - im „Kon-sum“-Heimwerkerzentrum Wien-Vösendorf.

Allen drei Fällen ist gemeinsam, daß nicht die sogenannte Basis der Gewerkschaft, sondern Funktionäre Macht demonstriert haben. Daß nicht Gewerkschaftsinteressen, sondern Parteiinteressen gegen Parteimitglieder durchgesetzt wurden. Ein ungeheurer Mißbrauch einer Idee!

Offenbar, aber leider, herrscht ein Klima im ÖGB, das solche Auswüchse (aus-)treiben läßt. Dieses Klima gehört geändert, nicht der Name des einen oder anderen Funktionärs.

Rund die Hälfte aller ÖGB-Mit-glieder gehört keiner Fraktion an, steht mit den Fraktionen sozusagen für die Uberparteilichkeit des Gewerkschaftsbundes. Merkt man etwas davon? Bei der Zusammensetzung der Gremien? Bei den Repräsentanten? Wie repräsentativ für die Mitgliederstruktur ist dann überhaupt die Funktionärshierarchie?

Neben den drei Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ist die Journalistensektion eine Ausnahme: Dort kennt man Urwah-len, praktiziert Demokratie.

Zugegeben: Demokratie ist in Vereinen kein zwingendes Strukturprinzip. Und der ÖGB ist nichts anderes als ein Verein.

Aber das Selbstverständnis des ÖGB darf sich nicht mit Funktionärsdemokratie begnügen, darf nicht den einzelnen zugunsten kollektiver Rechte von der Mei-nungs- und Willensbildung in der Gewerkschaft fernhalten.

Innergewerkschaftliche Demokratie und mehr Kontrolle wären die besten Garanten für die Stärke und Uberparteilichkeit des ÖGB, der beste Schutz gegen Willkür und Mißbrauch durch die eine oder andere Partei. Der Gewerkschaftsbund muß für sein Mitglied transparent werden. Denn geheim „vor Weib und Kind, vor Sand und Wind“ weist nur zurück in die Zeit der Feme-genchte.

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