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Dialog zweier Kulturen

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Obwohl dem Koordinator dieses prachtvoll ausgestatteten, in jeder Weise voluminösen und wissenschaftlich fundierten Werkes über die Osterreichischen Niederlande zuzustimmen ist, daß „die Niederlande für Osterreich bloß einen marginalen Besitz bedeuteten“ (H. Hasquin), so ist im Lichte einer historischen Retrospektive, die Wirkungszusammenhänge nachzuweisen und zu erklären vermag, bedenkenswert, daß eine fast hundertjährige enge Bindung (von 1713 bis 1794) hier wie dort nicht ohne Spuren geblieben ist.

Die ehemals Spanischen Niederlande erlebten unter der Herrschaft der österreichischen Habsburger nicht nur einen enormen ökonomischen Aufschwung, sondern rezipierten — begünstigt durch eine relative politische und intellektuelle Freiheit - auch jene Ideen der Aufklärung, die dann aufgrund ihrer Eigendynamik die Brabantische Revolution einleiteten und, im 19. Jahrhundert, zur Unabhängigkeit Belgiens beitragen sollten.

Während der geistig-kulturelle Auf schwung jener Jahrzehnte das Bild der belgischen Urbanität nachhaltigst beeinflußte und zum Beispiel für den architektonischen Charakter mancher Städte bis in die Gegenwart bestimmend blieb (hinzuweisen wäre etwa auf die Bautätigkeit und das Mäzenatentum des Schwagers von Maria

Theresia, des Niederländischen Statthalters Karl Alexander von Lothringen), sind Elemente belgisch-niederländischer Geistigkeit - etwa der Jansenismus und das staatskirchliche Denken—auf die Ausformung des Josephinismus, in übertragenem Sinne also auch auf eine „österreichische“ Kultur, unübersehbar. Somit ist eine politische Bindung gleichsam auf einer höheren Ebene in das Bewußtsein der Bewohner beider Länder eingegangen.

Sie führte, wenn auch oberflächlich betrachtet nur in geringem Ausmaß, zu einem Prozeß der Akkulturation, dessen sich zu besinnen auch und gerade im Interesse einer individuellen oder kollektiven Selbstfindung sich lohnt. Eine intensive Lektüre und wiederholte Konsultierung dieses Standardwerks, das in erster Linie einen Tour d'horizon über innerbelgische Zustände und Probleme im 18. Jahrhundert vermittelt - vierzehn namhafte belgische Wissenschaftler verfaßten siebzehn reich dokumentierte Beiträge über verschiedene Wissens- und Lebensbereiche -, mag, im Anschluß an die Europalia 1987, eine willkommene Anregung sein, sich über die weitverzweigten Konturen der eigenen Vergangenheit Rechenschaft abzulegen.

LA BELGIQUE AUTRICHIENNE 1713-1794. Les Pays-Bas meridionaux tous les Habs-bourgs d'Autriche, Bruxelles, Credit Com-munal 1987,539 Seiten.

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