6853838-1977_06_11.jpg
Digital In Arbeit

DISC

Werbung
Werbung
Werbung

Unter all den Jugendopem Mozarts, deren sich in den letzten Jahren vor allem BASF vorbildlich angenommen hat, wurde, ein Werk ungerechterweise stets stiefmütterlich vernachlässigt: „Zaide”, das Fragment aus dem Umkreis um „Idomeneo” und „Entführung”, das im Unterschied zu den ebenfalls nie ganz vollendeten „Lo sposo deluso” und „L’oca del Cairo” ein Werk von hoher Originalität der Einfalle ist, voll von Neuem in den Klangfarben der Arien, neu vor allem auch in der Tendenz, den melodramatischen Gestus auszuprobieren. Nun liegt bei Philips eine Gesamtaufnahme des „Zaide”-Frag- ments vor, das nicht bloß Musikwissenschafter interessieren wird.

Denn „Zaide” ist gerade jenes vor 1780 in Salzburg auf den Text des Dichter-Trompeters Johann Andreas Schachtner komponierte Singspiel, mit dem Mozart eigentlich in Wien, beim neugegründeten „National-Singspiel” Josephs II., zu reüssieren hoffte. Doch als er dann in Wien ankam, überlegte er sich’s anders. Das orientalische Modelibretto Schachtners und Sebastianis blieb liegen. Stattdessen wählte er die „Entführung aus dem Serail.”

Die Handlung der „Zaide” - der Titel wurde nicht von Mozart festgelegt - ist allerdings der „Entführung” nahe verwandt und musikalisch überhaupt in einem großen Zusammenhang zu sehen: einerseits mit seinen eigenen Arbeiten, wie den Klaviervariationen von 1783, mit der Sinfonie KV 318 (in der Einstein überhaupt die „Zai- de”-Ouvertüre vermutete), dann auch mit dem Marsch KV 335 und anderen Werken; anderseits aber auch verwandt mit stilistischen und orientalisch-modischen Eigenheiten der Zeit, wie sie sich in Johann Christian Bachs melodisch reizvollen Arien finden, in Glucks „Pilger von Mekka” und - speziell im Zusammenhang mit der rezitativi- schen Form, die im Singspiel durch den Dialog ersetzt war - mit der melodramatischen Konzeption, wie Mozart sie in den Opern und Melodramen Jiri Bendas („Medea”, „Ariadne”) in Mannheim kennen- lemte. Denn unter deren Eindruck entstanden immerhin ein (verlorenes) „Semiramis”-Fragment, „Thamos, König in Ägypten” und „Zaide”.

Fünfzehn Nummern liegen zu „Zaide” vor, zu denen Johannes Knittel nun für die Plattenaufnahme einen Dialograhmen rekonstruierte. Dem Hörer soll so wenigstens die Grundsituation für die Arien klargemacht werden. Und da Mozart keine Ouvertüre und kein Finale komponiert hat, spannte man die Sinfonie KV 318 der „Zaide” voran und hängte den Marsch KV 335 als Ausklang an. Was immerhin ein rundes Ganzes ergibt. Stilistisch, in der Atmosphäre, musikalisch.

Die Aufnahme selbst ist hervorragend gelungen: Bernhard Klee steht ein erlesenes Mozart-Sängerteam zur Verfügung, das gefühlvoll und präzise zu phrasieren versteht und Mozarts Arienstil genau trifft. Edith Mathis als Favoritin des Sultans und Peter Schreier als Sklave Gomatz harmonieren als Liebespaar ideal - sie mit ihrem vollen weichen Soprantimbre, er mit seinem geschmeidig-kostbaren Tenor. Ein wunderbares Mozart-Liebespaar, erlesen wie Pamina und Ta- mino. Imponierend stilsicher auch Werner Hollweg als Sultan, Ingvar Wixell als Allazim und Reiner Süss in der Sprechrolle des Osmin. Eine schwungvolle, frische und doch ungemein verinnerlichte Aufführung, die man sich eigentlich einmal auf einer kleinen Bühne wünschte. Etwa auf der eines Opemstudios.

WOLFGANG AMADEUS MOZART: Zaide - mit Edith Mathis, Peter Schreier, Ingvar Wixell, Werner Hollweg, Reiner Süß u. a.; Staatskapelle Berlin; Dirigent: Bernhard. Klee; Dialogfassung: Johannes Knittel; Philips 6700 097; 2 Lps.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung