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Hinter Alltagsmasken: Angst und Abwehr

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Masken erhalten während des Faschings erhöhte Aktualität, doch sind sie in einem übertragenen Sinn in der menschlichen Gesellschaft geradezu allgegenwärtig. Denn sie haben mit dem menschlichen Gesicht Entscheidendes gemeinsam, unterscheiden sich jedoch auch grundlegend. Das Gemeinsame braucht zunächst nicht erörtert werden, jedoch sehr wohl der Unterschied. Man spricht von „starrer Maske", von „maskenhafterErstarrung".

Eigen ist der Maske Leblosigkeit zum Unterschied vom lebendigen Mienenspiel des Gesichtes. Nur die Augen, für die ja die Masken Öffnungen haben, sind ein Rest des Lebendigen an ihnen.

Freilich haben auch Masken einen Ausdruck. Er kann drohend sein, wie die „schiachen" Perch-tenmasken in Tirol, gefährlich, ja dämonisch. Aber sie verändern sich nicht, halten den Ausdruck fest und demonstrieren Unbeeinflußbarkeit und so auch Dialogunfähigkeit. Das Gesicht des Menschen sollte offen sein dem Du, dem andern, der Welt.

Die Maske jedoch bleibt immer gleich. Sie hat einen Ausdruck, aber

gegenüber dem dahinterliegenden Gesicht ist die Maske etwas Uneigentliches. Der wirkliche Mensch lebt dahinter, er verbirgt sich, bleibt undurchschaubar. Der Maskierte läßt sein Eigentliches nicht erkennen. Er ist unzugänglich und unverständlich. Er läßt einen in Unsicherheit, man weiß nicht, wie man sich ihm gegenüber verhalten soll.

Der Maskierte, der einen Strumpf über sein Gesicht zieht, will überhaupt nur unerkannt bleiben. Wer jedoch eine Tier- oder Menschenmaske aufsetzt, sich womöglich noch dazu kostümiert, drückt damit

etwas aus. Etwa, daß er gerne ein Krokodil, ein Pirat oder ein Bischof sein möchte. Er gibt damit zu erkennen, was er gerne sein möchte, auch wenn es witzig gemeint ist. Er kokettiert dann eben - Freuds Arbeit über den Witz ist bis heute gültig - damit, ein Pirat zu sein, das heißt, er hat die Tendei.z in sich, das zu sein was die Maske darstellt.

Man könnte auch sagen, er möchte gerne „die Rolle" eines Krokodils oder eines Bischofs spielen, wenigstens eine Zeit lang. Der Begriff der „Rolle" korrespondiert mit der Maske, die gespielte Rolle ist eine Art große Maske.

Das leitet nun wieder über zur Maske im übertragenen Sinn. Denn man kann eine Maske tragen, auch ohne Maske aus Holz, Blech, Pappe oder Plastik, sich uneigentlich geben, eine „Verkehrsphysiognomie" „aufsetzen" und damit anderes vorspielen als das, was „man wirklich ist". Man zeigt sich nicht offen, man „läßt sich nicht in die Karten schauen", zeigt jene unnatürliche Starre der Maske. Das

„Verkehrslächeln" hat etwas Gefrorenes.

Im Maskenhaften, in der Starre einer „Rolle" liegt häufig Angst und Abwehr, man fürchtet die Auslieferung an jene, denen man seine wahren Gefühle zeigt.

Wenn man beispielsweise am Bildschirm bei manchen Gelegenheiten dort trainierte Kleriker aus dem Vatikan oder einer römischen Kirche kommen sieht, kann man die maskenhafte Rolle spüren -gemessen, hoheitsvoll, scheinväterlich, gnädig. Die Deutschen, die Italiener, sogar die Neger, deren überschäumendes Temperament und hemmungslose Natürlichkeit man etwa am Broadway bewundern kann, erscheinen so. In welch salbungsvolles Korsett sind sie geschnürt! Wie dringt man durch zu dem wahren Menschen, der noch immer dahintersteckt?

Die Maske ist oft auch Schutzmantel, Sicherung. Aber die Löcher für die Augen sind klein, man sieht nur wenig von der Welt.

Masken werden natürlich auch zur bewußten Täuschung angelegt, ihr Zweck ist es, andere „hineinzulegen", sie in die Irre zu führen. Masken sind ein zu vielschichtiges Phänomen, als daß man ihren Zweck darauf beschränken dürfte.

Der Autor ist Psychologe in Wien.

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