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Ahnen und Antilopen -Masken in Schwarzafrika

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In den uns bekannten afrikanischen Masken ist nur ein Abklatsch dessen zu sehen, was ihre ursprüngliche Bedeutung im traditionellen Afrika ausmacht. Wie Ahnenfiguren, Trommeln und Waffen, die in den Vitrinen der Museen ruhen, sind sie verwaist, verstümmelt und ihrer wesentlichen Natur beraubt.

Verstümmelt, weil meist nur die Gesichtsmaske oder die auf dem Kopf getragene Auf satzmaske aufbewahrt wird, wie im Fall der herrlichen Antilopenmasken der Bama-na (Mali) oder der Helmmaske der Senufo (Elfenbeinküste). Diese Masken zeigen noch alle Elemente (etwa Löcher), um mit ihnen den ganzen Körper zu verhüllen. Ihrer Natur beraubt, weil wir sie als starre Skulpturen unter greller, unnatürlicher Beleuchtung in den Museen betrachten, wo sie doch zur Bewegung in Gemeinschaftszeremonien und zum Tanz unter Begleitung rhythmischer Musik geschaffen wurden.

Afrika gilt als Erdteil der Masken. Der Schwarzafrikaner scheint eine besondere Beziehung zum Maskenwesen besessen zu haben, das untrennbar mit dem unwiderstehlichen Rhythmus des Tanzes verbunden ist.

Die Maske (arabisch Mashara: Possenreißer) bedeutet in erster Linie das Verhüllen, Verbergen, Verstecken des Gesichtes oder des ganzen Körpers. Den afrikanischen Masken liegt zutiefst jener weltweite, uralte Glaube an eine vollkommene Verwandlung zugrunde. Die Veränderung des Äußeren durch eine andere, neue Hülle bewirkt für den Träger auch einen Wandel seines Wesens. Sie macht ihn unkenntlich für die anderen und damit unverletzlich. Stellt die Ahnenfigur den ständigen Aufenthalt der Verstorbenen dar, so manifestieren diese sich in den Masken nur zeitweilig, aber dafür dynamisch.

In den Maskenträgern verkörpern sich die Geister der Ahnen und Toten sowie die Busch- und Tiergeister. Der Maskenträger fühlt sich von ihrer Kraft durchdrungen und wie verwandelt. Er spielt nicht mehr, sondern ist der betreffende Geist. In vielen Gegenden muß er sich vorher besonderen Waschungen unterziehen und Opfer bringen, damit er das Maskenkleid nicht unwürdig trägt. Er spricht mit Fistelstimme, verkündet in einer Geheimsprache die empfangene Botschaft für die Gemeinschaft und keine Bitte darf ihm abgeschlagen werden.

Die feste Bindung an das Ahnen-tum, den Hüter der alleserhalten-den Ordnung, bildet die eigentliche Wurzel der afrikanischen Religiosität und damit auch die wichtigste Inspirationsquelle für das Masken-tum. Zahllos und verschiedenartig sind die Funktionen der Masken. Sie treten häufig bei den Totenfeiern auf, um die Lebenden vor einer eventuellen Rache der Toten zu schützen. Sie können aber auch eine friedliche Rolle spielen: Der Verstorbene spricht durch sie den Angehörigen Trost zu oder erteilt ihnen Anweisungen aus dem Jenseits, die jetzt, von einer anderen Welt aus, mehr Gewicht haben.

In Krisenzeiten (bei Hunger oder in Dürrezeiten) oder beim Rechtsspruch im Gottesurteil treten Masken in Erscheinung. Gegen das Urteil der Masken gibt es keine Berufung. Auch der Medizinmann kann sich ihrer bedienen, um dem die Krankheit auslösenden bösen Geist entgegenzutreten.

Bei den Initiationszeremonien der Afrikaner treten sie oft als Urahnen auf, um die Jugendlichen zu unterweisen, sie symbolisch zu töten und als erwachsene Menschen Wiederzugebären. Sie können stille, starre Gesichter haben, oft aber auch furchterregende Züge annehmen.

Masken sind auch die wichtigsten Teilnehmer an Saat- und Erntefesten, denn sie haben den Feldern die Fruchtbarkeit - die Seele -gespendet. Sie können auch wichtige gesellschaftliche Funktionen innehaben. So hat etwa bei den Dan (Liberia) jede Maske eine Aufgabe zu erfüllen: die Verkörperung eines Toten, eines Rechtssprechers, eines Unterhalters, eines Friedensstifters. Jede Maske hat eigene Begleiter, Musikanten, die nur dieser Maske zugehörige Melodien spielen. Jedes Dorfviertel hat seine eigene Richtermaske, deren Anordnungen unbedingt befolgt werden müssen. Die Tjiwara-Masken der Bamana beispielsweise symbolisieren den mythischen tanzenden Antilopenbock, der von Gott beauftragt wurde, den Menschen den Hirsebrei zu bringen, und bedeuten das „Antlitz der Erde".

Masken mit Tierdarstellungen fungieren meist als Schutzgötter und Wächter sowie als Verkörperungen oder Symbole einer bestimmten Macht. (Kraft = Elefant, Büffel, Löwe, Krokodil oder Eber; Wehrhaftigkeit = Pferdeantilope; blitzartige Geschwindigkeit = Schlange; Fruchtbarkeit = Frosch).

Manchmal drückt sich darin die Annahme aus, daß böse Zauberer sich in Raubtiere verwandeln kön7

nen. Vogel-Masken gelten oft als Mittler zwischen Himmel und Erde (Seelenträger). Häufig gehen Tiermasken auf den Ursprungsmythos zurück, in dem Tiere als Retter der Stammesgründer auftraten oder wichtige Kulturgüter brachten wie zum Beispiel die Hacke für den Feldbau.

Die Zweideutigkeit der Masken versetzt immer wieder in Erstaunen: sie versuchen das Immaterielle einzufangen - zur Stärkung der vitalen Kraft der Gruppe (Familie, Dorf, Stamm) und zur Vermeidung

des Unheils, das diese Kraft - unge-bändigt - verursachen kann.

Masken sind nicht die Geister, aber sie werden von ihnen „benützt". Masken sind keine Zauberinstrumente, sondern Teil eines mythischen heiligen Spektakels. Die afrikanische Maske ist Teil eines Ganzen, sie hat ihre Funktion im Ablauf einer Zeremonie, selbst wenn sie allein tanzt, ist sie nie isoliert. Deswegen sind Masken, die nie getanzt haben, kalt und sinnlos, Wesen ohne Seele, Kraft und Ausstrahlung.

Der Autor ist Kustos der Abteilung Schwarzafrika im Museum für Völkerkunde und Dozent für Geschichte Afrikas an der Universität Wien.

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