Mexiko tanzt
Der gegenwärtige mexikanische Gesandte in Österreich, Minister Guillermo Jimenez, ist einer der bekanntesten Essayisten seines Heimatlandes. Für eine Arbeit über Balzac zeichnete ihn Frankreich mit der Ehrenlegion aus. Für die FURCHE übersetzte Paul Bartosch einen Text des Essayisten.
Der gegenwärtige mexikanische Gesandte in Österreich, Minister Guillermo Jimenez, ist einer der bekanntesten Essayisten seines Heimatlandes. Für eine Arbeit über Balzac zeichnete ihn Frankreich mit der Ehrenlegion aus. Für die FURCHE übersetzte Paul Bartosch einen Text des Essayisten.
Ein Ganzes und ein Vielfaches ist die Kunst des Tanzes; sie ist kühne, spontane Ausdrucksform der Gefühle, eine mit ungestümer Leidenschaft geschriebene Hieroglyphe. Ihr entströmen Bewegungen, Schwingungen und Gesten, die fesselndsten und vielgestaltigsten Bilder, die aus der menschlichen Vorstellungskraft geboren werden können. Der Tanzschritt scheint einer Mathematik der Leidenschaftlichkeit entlehnt zu sein.
Im Tanze, in seinen Arabesken, offenbart sich die’ Geschichte der Völker, ihre Religion, die Laster und Vergnügungen der Menschheit. Die Schritte des Tanzes sind Lieder der Empfindungen, Kränze, aus den Sorgen und Freuden der Menschheit geflochten.
Der Tanz ist verwirklichte Schönheit, die zu Liebe und Anbetung auffordert. Um anzubeten, tanzten die ersten Bewohner von Mexiko — die Nahuas, Tolteken, Zapoteken, Mixteken, Totonaken und Mayas; Menschen, deren Antlitz von der Sonne bronzefarben gebrannt war und von symbolischen Masken bedeckt wurde; Menschen, die religiöse oder kriegerische Tänze rund um ihre Götter tanzten. Der Gott des Tanzes hieß Mixcoatl, und in allen Städten gab es, ebenso wie im alten sagenumsponnenen China, Lehrer, die der Jugend zum Klange primitiver Musikinstrumente die choreographische Kunst vermittelten. Solche Instrumente waren: Seeschnecken, Schellen, Stierhörner, der Panzer von Schildkröten, „Huehuetls“ und „Teponaztlis“.
Wenn man den Chronisten Glauben schenken will, waren Streichinstrumente den alten Azteken nicht bekannt. Der „Huehuetl“ war eine Art Trommel, bestehend aus einem drei Fuß hohen Holzzylinder, mit glänzenden Farben bemalt, über dessen Oberfläche ein gegerbtes Hirschfell straff gespannt war. Der Klang dieses Felles konnte mittels seiner Spannung graduiert werden. Der „Teponaztli“, der noch bei vielen Stämmen gebraucht wird, ist ein hohler Holzzylinder mit zwei parallellaufenden, nahe beieinanderliegenden, streifenförmigen Oeffnungen in der Mitte; auf den Zwischenraum der beiden Oeffnungen schlägt man mit zwei Trommelschlegeln ähnlichen Stöcken und erzeugt hierdurch einen sanften, melancholischen Ton, der es gestattet, die Worte des Gesanges deutlich zu verneh men.
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