Ultraorthodoxe Juden: Kämpfen statt beten

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Der Unmut über die Privilegien der ultraorthodoxen Juden in Israel nimmt zu.

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Der Unmut über die Privilegien der ultraorthodoxen Juden in Israel nimmt zu.

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Seinen Auftritt vor dem Immobilienmakler-Kongress in Eilat hatte sich Israels Finanzminister Bezalel Smotrich anders vorgestellt. Kaum auf der Bühne, rief eine Frau: „Geh nach Gaza und kämpfe an Stelle meiner Kinder!“ Ein Mann schloss sich an: „Alle haben Kinder in der Armee! Deine sind Drückeberger!“ Danach skandierte die Menge so lange „Hau ab!“, bis Smotrich den Saal verließ. Der Vorfall ist symptomatisch für die Stimmung in Israel. Der rechtsextreme Hardliner Smotrich gehört zur Glaubensgemeinschaft der ultraorthodoxen Juden. Diese haben 1948 von Staatsgründer David Ben - Gurion das Versprechen bekommen, von der allgemeinen Wehrpflicht für Männer und Frauen befreit zu sein. Damit sie sich ausschließlich dem Studium der Tora widmen können. Damals gab es nur ein paar hundert Strenggläubige. Mittlerweile beträgt ihr Anteil, dank dem Kinderreichtum der Familien, rund 13 Prozent der Gesellschaft, Tendenz stark steigend.

In Zeiten, in denen Israel gegen die Terrorgruppe Hamas in Gaza um nichts weniger als um sein Existenzrecht kämpft und die Lage nach dem mutmaßlichen israelischen Luftangriff auf die iranische Botschaft in Syrien weiter zu eskalieren droht, will die säkulare Bevölkerung nicht länger akzeptieren, dass sie allein die Hauptlast des Wehr- und Reservedienstes trägt. Sie will nicht mehr hinnehmen, dass ihre Kinder schwerverletzt oder im Sarg aus dem Krieg zurückkehren, während Ultraorthodoxe, wie der verbale Kriegstreiber Smotrich, samt deren Kinder für den Sieg nur beten statt kämpfen. Der Oberste Gerichtshof hat die Regierung Netanjahu ultimativ aufgefordert, ein neues Wehrpflichtgesetz vorzulegen. Dies ist eine längst überfällige grundlegende Entscheidung für die Zukunft Israels. Und für Netanjahu steigt der Druck. Denn ohne die ultraorthodoxen Wehrdienstverweigerer hat er keine Regierungsmehrheit.

Die Autorin ist Redaktionsleiterin Ausland und polit. Hintergrund beim Bayerischen Rundfunk.

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