Causa Schmid: Krise und Läuterung

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Gerade noch hat Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz eine Hagiographie seiner selbst präsentiert. Nun wird er von Thomas Schmid schwer belastet. Warum das Land daraus lernen muss: Gedanken zum Nationalfeiertag – und ein Blick zurück.

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Gerade noch hat Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz eine Hagiographie seiner selbst präsentiert. Nun wird er von Thomas Schmid schwer belastet. Warum das Land daraus lernen muss: Gedanken zum Nationalfeiertag – und ein Blick zurück.

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Die Zeit ist reif für ein wenig Pathos. „Mein Österreich“ würde man heute zwar eher nicht mehr als Titel eines Leitartikels wählen – aber zitieren darf man einen solchen Text wohl doch. György Sebestyén, als gebürtiger Ungar 1956 zu Fuß nach Wien geflohen, Literat sowie langjähriger Feuilletonchef der FURCHE, dachte unter diesem Motto zum Nationalfeiertag 1986 über „sein“ Österreich nach. Anlässe zur Reflexion gab es in diesem Jahr genug: Die Waldheim-Affäre war ins Rollen gekommen, der Rechtspopulist Jörg Haider hatte die FPÖ übernommen – und der Super-GAU im ukrainischen Tschernobyl hatte die grenzenlosen Gefahren der Atomkraft ganz real gemacht.

„Dieses mein Österreich steckt heute in der Krise, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch“, schrieb Sebestyén am 24. Oktober dieses turbulenten Jahres: „Wir sind für die Demokratie, wenn sie schlampig gehandhabt wird, haben nichts gegen die Obrigkeit, solange sie sich nicht allzu ernst nimmt. [...] Und wenn der Himmel nicht voller Geigen, sondern voller Nuklearbomben hängt, blicken wir nicht empor, sondern beschauen den eigenen Nabel.“

Dabei könne dieses Österreich wieder so werden, wie es ihm 1956 als Neuankömmling aus dem von den Sowjets besetzten Ungarn erschienen war, so Sebestyén: „eine Republik der nüchternen Entscheidungen, ein geistiger Mittelpunkt des Donauraumes, [...] ein Hort jener bürgerlichen Freiheit, die die Zivilcourage ermutigt, die Cliquen und Klüngel bändigt, die Korrupten nicht nur vor Gericht stellt, sondern auch moralisch verurteilt, die Mächtigen mäßigt und die Kleinen emporhebt.“

Das Sittenbild eines Kronzeugen

Heute, 36 Jahre später, ist Sebestyéns Österreich-Vision noch immer eine Utopie. Wie fern sie insbesondere hinsichtlich der „Cliquen und Klüngel“ sowie des Umgangs mit struktureller Korruption ist, belegt das jüngste Geständnis von Thomas Schmid. Lange hatte der ehemalige Öbag-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, dessen Handy mit rund 300.000 Chats für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zum Ausgangspunkt zahlreicher Ermittlungen wurde, geschwiegen – und sich auch dem parlamentarischen U-Ausschuss entzogen. Nun wurde klar, dass Schmid bereits seit April mit der WKStA kooperiert, Kronzeugenstatus erlangen will – und mit seinen Aussagen den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz schwer belastet.

Noch in der Vorwoche hatte dieser eine Biografie bar jeder Selbstkritik und mit auffälligen Leerstellen zur Ursache seines Abgangs präsentiert und reihenweise ebensolche Interviews gegeben. Ob Schmids nun bekannt gewordene Anschuldigungen glaubwürdig sind – oder ob er nur „alle anpatzen will, um tatsächlich den Kronzeugen-Status zu bekommen“, wie Kurz-Anwalt Werner Suppan meint, muss vorerst die Staatsanwaltschaft klären; und letztlich das Gericht.

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