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Karl Kriechbaum: "Korruption steckt überall drin“

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Der Politik- und Börsenpsychologe Karl Kriechbaum erläutert, welche Blüten Korruption treibt, worin die Wurzel des Übels liegt und wie sich Korruption verhindern ließe.

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Der Politik- und Börsenpsychologe Karl Kriechbaum erläutert, welche Blüten Korruption treibt, worin die Wurzel des Übels liegt und wie sich Korruption verhindern ließe.

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Korruptionsfälle unter Politikern, Beamten und Managern lähmen den Staat und vernichten das Vertrauen der Bürger in das System. Weil oft Menschen an den Hebeln der Macht korrupt werden, lassen sich Wirtschaftsverbrechen so schwer aufklären.

Die Furche: In den letzten Jahren haben sich die Korruptionsfälle in Österreich gehäuft. Steigt die Korruption oder wird sie nur öfter aufgedeckt als früher?

Karl Kriechbaum: Früher gab es wahrscheinlich noch viel mehr Korruption als heute. In den vergangenen Jahren konnten politische Gegner und Medien viel ans Tageslicht bringen, das zuvor im Dunkeln passiert ist.

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Die Furche: Warum ist es schwierig, Korruption aufzudecken?

Kriechbaum: Schwierig ist es vor allem bei den "großen Fischen“: Im oberen Segment von Politik und Wirtschaft schützen die Netzwerke ihre Mitglieder und deren Privilegien sehr vehement. So können nur schwer Informationen durchsickern. Wenn das doch passiert, setzen diese Leute sämtliche Machtmittel ein, damit die entlarvenden Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Die Furche: Wo beginnt denn Korruption?

Kriechbaum: Jedes Netzwerk trägt den Bazillus der Korruption in sich, weil es seinen Mitgliedern Vorteile verschafft und Nichtmitglieder ausschließt und so schädigt. Politische Parteien sind aufgrund ihrer Machtfülle prädestiniert dafür. Auch Gewerkschaften oder Kammern fürchten um ihre Bedeutung, die Menschen dahinter um ihre Jobs und Privilegien.

Die Furche: Inwiefern können Macht und Geld einen Menschen korrumpieren?

Kriechbaum: Wenn Menschen viel Geld und Einfluss erlangen, verändern sie sich: Sie schirmen sich von den "normalen Menschen“ ab - einerseits, weil sie diese scheinbar nicht mehr brauchen und sich als etwas Besseres fühlen, andererseits, weil sie Angst davor haben, man könnte ihnen etwas wegnehmen. Die Angst vor dem Verlust ist größer als die Lust am Gewinn - das betrifft hohe Ämter genauso wie den Finanzmarkt.

Die Furche: Ist Korruption männlich?

Kriechbaum: Ja. Knapp zwei Prozent der Männer leiden unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, etwa drei Prozent unter einer antisozialen Behinderung. Diese Menschentypen sind für Korruption besonders anfällig. Frauen sind davon seltener betroffen.

Die Furche: Sebastian Kurz spricht von der Politik als Intrigantenstadel.

Kriechbaum: Leute müssen aus einem bestimmten Holz geschnitzt sein, um erst einmal an die Macht zu kommen. Ein zu langer Verbleib in der Politik tut dem Charakter sicher nicht gut. Eine derartige Machtposition bedeutet tägliche Verlockungen.

Die Furche: Wie kann Korruption eingedämmt werden?

Kriechbaum: Es gibt drei mögliche Formen der Kontrolle: Kontrolle von außen, also etwa durch Behörden, von oben, sprich von der Führung einer Organisation, und von innen, durch die eigenen Mitglieder. Die Letzteren sind die am wenigsten korrupte Gruppe. In manchen Firmen wird diese Kontrolle von innen mit Erfolg angewendet: Mitarbeiter können anonyme Hinweise geben, wenn ein Verdacht besteht.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die Arbeit des Untersuchungsausschusses?

Kriechbaum: Vor allem die Proponenten des Ausschusses geraten leicht in Gefahr, selbst korrupt zu sein: Sie inszenieren sich als "die Guten“, wollen politisches Kleingeld verdienen, indem sie ihre politischen Gegner anprangern. Im Falle des U-Ausschusses kontrolliert sich das politische System selbst, was eine sehr anrüchige Form von Kontrolle darstellt. Genauso problematisch ist es, wenn Abgeordnete ihr eigenes Gehalt selbst festsetzen dürfen.

Die Furche: Wie kann Korruption präventiv bekämpft werden?

Kriechbaum: Um politische Netzwerke mit ihren Interessen und Privilegien aufzubrechen, sollten sich alle Staatsbürger, auch ohne Parteizugehörigkeit, für ein politisches Amt bewerben können. So könnte die Macht der Parteien reduziert werden. Anstatt bedeutungs- und privilegiensüchtiger Persönlichkeiten würden wirklich kompetente und integre Personen auserkoren werden.

Die Furche: Was meinen Sie mit psychosozialer Korruption?

Kriechbaum: Wenn ein Lehrer aus seiner amtlichen Autorität Vorteile zieht, indem er zum Schaden der Kinder Strafen verhängt, nur um seine Ruhe zu haben oder um seine Reputation zu wahren, ist er korrupt.

Die Furche: Was bedeutet Compliance Management für Organisationen?

Kriechbaum: Zuerst werden notwendige Regeln, am besten gemeinsam mit den Betroffenen, definiert. Dann sind die Betroffenen darüber aufzuklären. Alle Prozesse müssen transparent sein und auf drei Ebenen evaluiert werden: Durch die Mitwirkenden, die Organisationsführung und die Behörden. Ganz wichtig: Bei Verstößen müssen die vorher festgelegten und kommunizierten Konsequenzen verbindlich zum Tragen kommen.

Korrupte Mensch - © Verlag Goldegg
© Verlag Goldegg
Buch

Der korrupte Mensch

Von Karl Kriechbaum, Max Edelbacher und Christina Felsenreich
Goldegg Gesellschaft 2012
416 Seiten, geb., € 24,90

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