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Damit etwas hängenbleibe...

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Korruption, Korruption, Korruption! Diese Worte hallten in der vergangenen Woche, vielfach gesprochen, durch das Hohe Haus am Parlamentsring, sie tönten wieder in ęiner Serie von Artikeln, Berichten und Meldungen einer bestimmten Presse, sie wurden sich — wie nicht andere zu erwarten war — von den einfacheren Menschen des Landes gegenseitig zugeraunt.

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Korruption, Korruption, Korruption! Diese Worte hallten in der vergangenen Woche, vielfach gesprochen, durch das Hohe Haus am Parlamentsring, sie tönten wieder in ęiner Serie von Artikeln, Berichten und Meldungen einer bestimmten Presse, sie wurden sich — wie nicht andere zu erwarten war — von den einfacheren Menschen des Landes gegenseitig zugeraunt.

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Voll Schrecken und Bedauern — aber auch da und dort schadenfroh. Kein Wort zur Verteidigung von Unregelmäßigkeiten und Mißstanden, so sje einwandfrei erwiesen sind und jedem Richterspruch standzuhalten vermögen, ffier hat die volle Schärfe des Gesetzes Anwendung zu finden. Sehr viel aber gegen jene Praktiken, die sich in letzter Zeit auch eine Regierungspartei zu eigen gęjnacht hat, viel von Beseitigung einer Korruption zu sprechen und bestimmte, gar nicht so uneigennützige Ansprüche und Ambitionen zu meinen. Ut aliquid haereat, damit etwas hängenbleibe, damit der andere einen schwarzen Punkt bekomme —, im voraus für kommende Wahlgänge.

Damit etwas hängenbleibe... Ja es bleibt bestimmt etwas hängen: am ganzen politischen System nämlich, dann, wenn von Korruptionsgeschrei die Straße hallt.

Erinnern wir uns nur. Wir haben dies alles schon einmal erlebt, und es ist gar nicht so lange her. Nicht zuletzt leisteten jene unbezahlbare Hilfsdienste dem Totalitarismus von gestern, die sich nicht genugtun konnten, mit Enthüllungen über korrupte .schwarze" und .rote“ Demokraten aufzutreten. Durch einen Zaubertrick wurden bald Korruptionsfälle i n der Demokratie zu d e r korrupten Der mokratie. Die breiten Massen der Bevölkerung, in denen ein gesunder Sinn für Anständigkeit und Sauberkeit tief verwurzelt ist, urteilen nämlich schnell. Vor schnell vielleicht, aber sie trifft keine

Schuld- Sie beurteilen und verurteilen nur das, was sie sehen, was Ihnen schwarz aüf wejß neben der Jause auf den Tisch gelegt wjrd. In der Demokratie spricht upd schreibt man von Korruption. Man spricht und schreibt sogar sehr gerne von ihr. Und leider auch dann, wenn es gar nichts anderes gilt, als nur irgendeine mißliebige Persönlichkeit „abzusehießen". In den Diktaturen begleitet aber auch das Fallen der faulsten Früchte — und diese waren und sind bestimmt nicht weniger zahlreich als die Sumpfpflanzen der Demokratie nur eines: Schweigen. Niemand hat etwäs gehört, niemand bat etwas gelesen, es gibt sie einfach nicht. So der Kurzschluß.

Vorsicht daher vor den neuen — alten politischen Legenden, die den ehrlichen und gerechten Zorn der Menschen gegen jede Unanständigkeit im öffentlichen Leben dazu ausnützen, um einer bestimmten Staatsform eine besondere Anfälligkeit gegenüber der Krankheit „Korr ruption“ naefazusagen. Schadenfreudige sind unter uns- Das müßte eigentlich auch jener Partei, ihrer Presse und ihren Abgeordneten zu denken geben, die solche?? art Ihr Scherbengericht abhalten. Ordnung und Sauberkeit im öffentlichen Leben zu hüten und zu pflegen, ist nicht ein Privilegium, däs Von einer politischen Richtung arrogiert werden kann, sondern Sache aller anständigen Menschen unseres Landės.

Korruption! Ein böses Wort, einmal in die Welt gesetzt, auf Rotationspapier vieltausendfach vervielfältigt, macht die Runde, geht weiter, dringt gleich einem Bazillus in den Volkskörper ein, schafft jene „malaise", für die der Österreicher nicht unempfänglich ist. Wo Krankheitsherde sich an? Volkskörper bilden, gehören sfe geheilt — wenn notwendig mit dem Messer des Chirurgen. Vor einem aber sei gewarnt. Wjr heben die Gefahren einer bedenkenlosen propagandistischen Auswertung und Ausweitung des Korruptionrufes aufgezeigt. Damit nicht etwas hängenbleibe: an dem Staat, in dem wir leben und das darf doch wohl angenommen werden — den die überwältigende Mehrzahl auch liebt.

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