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„Euer Engagement als Reserveoffiziere in Ehren, aber zu einem richtigen Offizier fehlt Euch etwas Wesentliches, nämlich der Geist der Theresianischen Akademie!” Mit diesen Worten charakterisierte einmal ein hoher Berufsoffizier den feinen Unterschied zwischen Berufs- und Milizoffizieren.

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„Euer Engagement als Reserveoffiziere in Ehren, aber zu einem richtigen Offizier fehlt Euch etwas Wesentliches, nämlich der Geist der Theresianischen Akademie!” Mit diesen Worten charakterisierte einmal ein hoher Berufsoffizier den feinen Unterschied zwischen Berufs- und Milizoffizieren.

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Was der besagte Berufsoffizier damit ausdrücken wollte, liegt auf der Hand. Ein richtiger, ein vollwertiger Offizier kann nur ein Berufsoffizier sein, denn nur er hat mit seiner Ausbildung in der Müi-tärakademie das geistige und fachliche Rüstzeug erhalten, um den Anforderungen militärischen Führertums der Gegenwart und der Zukunft gerecht zu werden.

Nur, hält diese in der Praxis bewußt oder unbewußt weitverbreitete These den Realitäten angesichts eines Verhältnisses von etwa zehnt Prozent Berufs- zu 90 Prozent Milizoffizieren stand?

Unser Heer ist nicht milizartig, auch nicht milizähnlich, sondern ist schlicht und einfach - eine Milizarmee. Und das mit allen Konsequenzen. Eine davon ist der funktionale Offiziersbegriff.

Dieser besagt nichts anderes, als daß man deshalb Offizier ist, weil man aufgrund einer umfassenden Ausbildung befähigt ist, Funktionsträger in einer bestimmten Führungsebene der Miliz zu sein. Anders ausgedrückt: Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Funktion der Miliz. Diese Miliz-Funktion stellt an den Funktionsträger bestimmte fachliche und geistige Anforderungen. Wer diese objektiven Anforderungen erfüllt, wird Funktionsträger.

Ob das nun ein Berufs- oder ein Milizoffizier ist, spielt eine untergeordnete Rolle — entscheidend ist, daß die Anforderungen erfüllt werden.

Aus dem funktionalen Offiziersbegriff ergibt sich zweierlei: Zum einen sind Berufs- und Milizoffiziere als Funktionsträger in der Miliz grundsätzlich gleichwertig. Zum anderen ist eine grundsätzlich gleichwertige Ausbildung, vor allem was das Niveau anbelangt, zwischen Berufs- und Milizoffizieren notwendig.

Die Tatsache, daß Berufsoffiziere eine längere und umfassendere Ausbildung als Milizoffiziere erhalten, muß nicht ein Widerspruch sein: Das umfassende Wissen und die größeren Detailkenntnisse benötigt der Berufsoffizier, um in Friedenszeiten die Einsatzvorbereitungen der Miliz optimal durchführen zu können.

Aus dem funktionalen Offiziersbegriff ergibt sich eine weitere, wesentliche Konsequenz für den Berufsoffizier in einer Milizarmee: Beide, der Berufsoffizier ebenso wie der Milizoffizier, haben in Friedenszeiten einen Hauptberuf und einen Zweitberuf, nämlich die (mob-) Funktion in der Miliz.

Der Hauptberuf des Milizoffiziers liegt in seiner Tätigkeit als Arzt, Rechtsanwalt, Unternehmer, Angestellter usw. Der Hauptberuf des Berufsoffiziers besteht: im Bereich des militärischen Spezialistentums, z. B. beim fliegenden Personal; in der optimalen Einsatzvorbereitung der Miliz; in der Ausbildung der zukünftigen Milizsoldaten.

Treffend charakterisierte dieses neue Rollenverständnis ein junger Kompaniekommandant in einem Oö Landwehr-Stammregiment: „Meine derzeitige Funktion ist mein „ziviler” Hauptberuf, nämlich zukünftige Milizsoldaten auszubilden. Meine eigentlichen militärischen Aufgaben sehe ich in meiner mob-Funktion als stellvertretender Kommandant einer Jagd-Kampfkompa-nie!”

Einst nützten die jungen Leutnante ihr Privileg, Wahrheiten, auch wenn sie unangenehm waren, ihren Vorgesetzten offen und couragiert, manchmal auch ein bißchen keck, zu sagen. Mit viel Elan und Schwung brachen sie aus eingefahrenen Geleisen aus und gaben somit oft viele Impulse und Denkanstöße, den militärischen Alltag und Dienst zu verbessern oder weiterzuentwickeln.

Wenn etwas ihrer Ansicht nach zu langsam ging, konnten die Leutnants richtig „zornig” werden. Nun — sind die Leutnants zahm geworden!?

Das Sicherheitsdenken ist „in”. Auch bei vielen frisch ausgemusterten Leutnants. Nicht die Aufgaben, die einem gestellt werden oder die Funktion, die zugeteilt wird, steht — überspitzt formuliert — im Mittelpunkt des militärischen Denkens, sondern die Wertigkeit des Dienstpostens.

„Ich habe einen Fünf-Strich-Sechser-Posten. Welchen hast du?” Diese Frage kann man nur allzuoft in den Gesprächen im Casino hören. Das mag bei älteren Berufsoffizieren ja noch verständlich sein. Wenn aber Leutnante mit 23-24 Jahren solche Gespräche ständig führen, dann stimmt das nachdenklich.

Unser Heer kennt die Auftragstaktik bzw. die Auftrags-Ausbildung. In einem vorgegebenen Rahmen hat das durchführende Kommando bzw. der verantwortliche Kommandant Handlungsfreiheit. Wir alle wissen, daß diese durch Vorschriften, Erlässe, Befehle usw. oft stark eingeschränkt ist.

Selbst dort aber, wo Handlungsspielraum gegeben ist, wird dieser häufig nicht oder nur sehr wenig genützt. Wie soll aber, so fragt sich der engagierte Milizoffizier und mit ihm die interessierte Öffentlichkeit, die Miliz im Einsatzfall funktionstüchtig sein, wenn bereits im Frieden so wenig Mut zum selbständigen Entscheiden vorhanden ist?

Wie sollen die jungen Milizoffiziere lernen, selbständig zu handeln und zu entscheiden, wenn dies nicht einmal ihre „Lehrer” und „Vorbilder”, nämlich die Berufsoffiziere, tun?

Die bisherige Vorstellung vom Berufsoffizier und seiner Stellung in der Armee sind unter den geänderten Verhältnissen einer Milizarmee nur sehr bedingt oder überhaupt nicht anwendbar.

Die Trennung von der klassischen Aufgabe als militärischer Führer schlechthin zur milizgerechten Rolle als „Lehrer” der Milizsoldaten, als militärischer Planer und Organisator, der häufig mehr hinter dem Schreibtisch als im „Felde” ist, ist sicher nicht von heute auf morgen zu vollziehen.

Wenn Berufsoffiziere ihre neue Rolle, die ihnen in der Milizarmee zukommt, nicht versehen oder sich nicht mit ihr identifizieren können, laufen sie Gefahr, an den militärischen Realitäten zu scheitern und geistig isoliert zu werden.

Dann ist die Gefahr sehr groß, daß die Kaserne wieder zu einem geistigen Ghetto wird, zu einer Fluchtburg vor den gesellschaftlichen und militärischen Realitäten.

Gerade die Miliz braucht den Berufsoffizier, der seine Aufgaben und seine Rolle voll verstanden hat. Sie braucht ihn als Ausbilder der Milizsoldaten, als Lehrer und Kameraden der jungen Milizoffiziere, vor allem aber als Planer und Organisator, der gemeinsam mit dem großen Reservoir an geistigem „brain trust” der Milizoffiziere die offenen Fragen und Probleme der Miliz löst.

Der Autor ist Offizier auf Zeit und war von 1975 bis 1980 Presseoffizier beim MilKdo Oberösterreich.

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