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Nur der Papst macht Konkurrenz

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„Feindbildabbau“ ist eine der vielen gutgemeinten, aber mißverständlichen Parolen unserer Zeit. Wenn damit Achtung vor fremder Überzeugung, fairer Wettstreit, Absage an Verteufelung gemeint sind: dreimal ja! Dreimäl ja aber auch zu Werner Welzigs Forderung im Katholi- kentags-„Aviso“, die „Lüge zu zerreißen, daß es in uns und um uns keine Gegner gäbe“.

Totalitäre Herrschaftssysteme jeglicher politischer Machart sind Gegner der Menschenwürde. Wir erleben es wieder einmal in spektakulärer Dramatik in Polen: Hunderttausende umjubelten den Papst, wo das KP-Regime vergleichsweise kleine Häuflein mobilisieren kann.

Weniger beachtet wurde die auf ihre Art kaum weniger spektakuläre Sitzung des Zentralkomitees der KPdSU, wo Andropow-Riva.- le Konstantin Tschernenko einen propagandistischen Notstand ausrief: Abweichlertum, Widerspruch, Unruhe unter der Jugend bedrohten das System in der Sowjetunion, mehr ideologische Disziplin sei unerläßlich, um den „weltweiten Kampf der zwei Ideologien“ zu gewinnen.

Das erinnert daran, daß die Erfinder «der „friedlichen Koexistenz“ darunter immer nur Absenz von Krieg, aber politischen, wirtschaftlichen, ideologischen Wettbewerb verstanden. Der Westen hat das immer wieder vergessen und dem Osten (zu Unrecht) Heuchelei vorgeworfen, wenn er stärker zu werden trachtete, ihm gleichzeitig aber durch exzessive Zugeständnisse im Handel und vor allem im Technologie-Transfer das Erstarken leicht gemacht.

Freilich erstarkte die UdSSR nur militärisch. Geistig geht es mit dem kommunistischen Herrschaftssystem seit Jahren bergab — selbst in der Sowjetunion, was die jüngste Tschernenko-Rede nicht verschwieg.

In Polen ist das kommunistische Regime so total, so perfekt, so über alle Maßen am Ende, wie es nur je geschehen konnte. Die Politiker des Westens aber nehmen die ideelle Auseinandersetzung nicht auf. Sie bieten das Bild geistiger Kleinkrämerei, wie dies — trotz erreichter Kompromißformel - auch der Stuttgarter Gipfel der Europäischen Gemeinschaft dieser Tage erneut bewies.

Der einzige, der die Formel der Koexistenz im Sinn der Erfinder aufgriff und zu geistiger Konkurrenz nutzt, ist der Papst. Er tut und er kann es gründlich: Sein Besuch in PoIen war ein einziger Triumph des Geistes über die Herrschaft der Bajonette; ein Triumph der Wahrheit über die Ideologie; ein Triumph aber auch des Selbstbewußtseins über die schwächliche Orientierungslosigkeit westlicher Politik. Und ein Fingerzeig für jene innerhalb der Kirche, die glauben, durch geschichtslose Leisetreterei zu überzeugen: Flagge zu zeigen lohnt sich!

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