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P. Häring CSsR

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Am 12. Oktober drängten sich 800 engagierte Christen in die Vortragsräume des Raiffeisen-hauses in Wien II, und 200 mußten wegen Platzmangels draußen bleiben. Angekündigt war ein Vortrag von P. Bernhard Häring: „Ist auf das Gewissen Verlaß?“ Das Thema selbst erweckte großes Interesse, mehr aber noch der Vortragende.

P. Häring ist Redemptori-stenpater und weltweit bekannter Moraltheologe. Seit 1977 leidet er an Kehlkopfkrebs und hat nach einer radikalen Operation seine natürliche Stimme verloren. So las den Vortrag nicht er selbst, sondern einer seiner Mitbrüder. Was aus dem Vortrag klang, war auch nicht der ganze P. Häring. Der Grundton war sehr kritisch, und manche vermißten die mit Spannung erwarteten Klärungen, wann nunwirklich auf das Gewissen letzter Verlaß sei.

Nach dem Referat aber gab P. Häring auf Fragen mühsam persönlich Antwort. Das war der ganze P. Häring: gelassen, weise angesichts des Todes, voll tiefer Menschenliebe, froh und glaubwürdig fromm. Da verstand man, wieso er für viele in den letzten Jahren zur Symbolfigur geworden ist:

Ein Moraltheologe, der mit allenFasernseinesHerzenssich dem Menschen und seiner Not zuwendet. Für ihn kann Wahrheit nur dort sein, wo sie auch frei macht.

Ein Wissenschaftler, der sich selbst „ein Teil der pilgernden Kirche in ihrem Lernprozeß“ nennt. Vor dem Konzil schrieb er das Standardwerk „Das Gesetz Christi“, nach dem Konzil, ganz im Geiste des gemeinsamen Fortschritts „Frei in Christus“.

Ein römischer Konzilstheologe, der wie kaum ein zweiter den Werdegang der Kozilstex-te kennt und viele nachhaltig mitgestaltet hat.

Ein furchtloser und unbeirrbarer Anwalt des Gewissens als „verborgene Mitte und Heiligtum“ des Menschen.

Ein Priester und Lehrer, der an seiner eigenen Person die wachsende Spannung zwischen Theologie und Lehramt erlebte, wie er in seinem Buch „Meine Erfahrung mit der Kirche“ jüngst erschütternd darstellte.

Ein Christ, der die Kirche trotz aller schmerzlichen Erfahrung mit römischen Stellen über alles liebt, weil er Christus liebt und sein leidendes und oft entstelltes Antlitz so vielfach wiedererkennt.

Ein Mensch, der durch Krankheit seine Stimme verlor und auch anderweitig zum Schweigen gebracht werden sollte, der aber gerade dadurch neu und unüberhörbar reden lernte.

Am 12. Oktober haben die wenigen Worte, die er sich abgerungen hat, von ihm mehr ausgesagt, als man in vielen Büchern von ihm lesen kann.

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