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Politik zwischen prayer breakfast und Vermögensbeichte

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„Können Sie so was Ähnliches im Parlament in Wien nicht auch einführen …?” Mehrfach trugen amerikanische Politikerkollegen diese ernst gemeinte Frage an ÖAAB-Chef Alois Mock herän, der kürzlich gemeinsam mit einer Handvoll europäischer christdemokratischer Politiker als aus „Ubersee” kommender Gast in Washington an einem „presidential prayer breakfast” teilnahm.

Die Einladung zu einem „prayer breakfast”, einem Frühstück mit Gebet, wie man nicht ganz zutreffend ins Deutsche übersetzt sagen könnte, hat nichts mit der Tatsache zu tun, daß der neue US-Präsident Jimmy Carter heißt und daß dieser Jimmy Carter sich dazu bekennt, eine bewußt von religiöser Motivation getragene Politik zu verfolgen. Das „prfayer breakfast” als religiöse Bewegung ist bereits einige Jahrzehnte alt und vereinigt in sich - aus einer ursprünglich protestantischen Idee entstanden - Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Kultur, die sich bestimmten religiösen Grundwerten, oft, aber nicht nur christlichen Grundwerten, verpflichtet wissen.

An sich ist ein „prayer breakfast” mehr oder minder eine Massenveranstaltung, an deren Beginn Bibelstellen vorgetragen werden, woran sich eine Diskussion dieser Bibelstellen schließt. Nicht selten plätschert dann die Diskussion vor sich hin, um gegen Ende in eine politische Aussprache zu münden.

Das Bemerkenswerte an diesen Gebetsfrühstücken ist, daß persönliche Glaubensüberzeugungen in einer für Europäer völlig ungewohnten Unbeschwertheit mit Politik verknüpft werden. Eine der Ursachen für die völlig fremde Situation mag sicherlich darin zu suchen sein, daß etwa in Österreich das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Staat immer wieder härtesten Belastungsproben ausgesetzt war, wie sie für den amerikanischen Boden unbekannt sind.

Neben Gesprächen mit Jimmy Carter (gemeinsam mit einigen anderen europäischen Politikern) und Kurt Waldheim hatte Alois Mock in Was hington auch einen Besuch des „state departements”, das nunmehr von Außenminister Cyrus Vance dirigiert wird, auf seinem Programm, Die Kontakte lieferten dem ÖAAB-Chef prompt neue Munition für oppositionelle Angriffe: „Ah … man sieht wieder einen Österreicher!” Mit solchen und ähnlichen Anspielungen will Mock darauf auftnerksam gemacht worden sein, daß sich Österreichs Kontakte zu den USA in den letzten Jahren auf das Notwendigste reduziert hätten. „Mit freundlichen diplomatischen Floskeln hat man auf die Absenz der ,austrian administration hingewiesen.”

So ist Mock der Meinung, Österreich müßte in seinen außenpolitischen Kontakten in Zukunft gerade hinsichtlich der Staatsvertragspartner neue Prioritäten setzen: „Es ist keine Frage des .Entweder-Oder, ob wir in der Außenpolitik kleineren oder wichtigeren Staaten den Vorzug geben. Das Motto sollte heißen: Sowohl als auch…”

Die brisante Anregung, auch in Österreich sollte man sich überlegen, ob man nicht ähnlich den amerikanischen Bestimmungen Spitzenpolitiker vor ihrem Amtsantritt genaue- stens hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse untersuchen sollte, lieferte der ÖAAB-Chef gerade rechtzeitig, um in die Lütgendorf-Debatte einen aktuellen Beitrag einzubringen.

Sicherlich, viele Dinge, und auch dieser Vorschlag, können nicht unbesehen auf österreichische Verhältnisse angewandt werden, Doch vom Prinzip her hat die Sache doch einen interessanten Kern: Hat nicht etwa der Staatsbürger, Wähler und Steuerzahler, mit dessen Geld ja schließlich die hohen Politikergehälter bezahlt werden, auch ein Anrecht darauf, sichergehen zu können, daß diese Politikergehälter nicht nur dazu herhalten müssen, um den Sprung in noch weitere und tiefere Schulden zu erleichtern?

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