7018504-1988_36_03.jpg
Digital In Arbeit

Schauprozesse

19451960198020002020

Es geht um Tausende von Verfolgten, Verschleppten, Verurteilten und Hingerichteten: Ein neues Buch zu den stalinistischen Säuberungen nach dem Zweiten Weltkrieg.

19451960198020002020

Es geht um Tausende von Verfolgten, Verschleppten, Verurteilten und Hingerichteten: Ein neues Buch zu den stalinistischen Säuberungen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Pflichtlektüre für alle, die sich mit den politischen Entwicklungen in den osteuropäischen Staaten nach 1945 auseinandersetzen wollen, ist das vorliegende Buch „Schauprozesse“ von Georg Hermann Hodos.

Der Autor, ein ungarischer Intellektueller, der während des Zweiten Weltkrieges in d^r

Schweiz seine Studien beendete und nach 1945 als Kommunist in seine Heimat zurückkehrte, gibt hier sowohl eine Schilderung der Schauprozesse in Osteuropa in historischem Sinn als auch eine Schilderung des eigenen Schicksals in Ungarn zwischen 1948 und 1956.

Das Buch hat also zwei Fäden. Hodos macht anhand von westlichen Quellen und einschlägiger Literatur mit den schaurigen Prozessen unter Stalin bekannt; zeigt auf, wie die Kommunisten „ihre eigenen Kinder“, die „Kinder der

Revolution verspeisen“ —, und zwar alle nach einem Vorbüd, den Prozessen in Moskau zwischen 1936 und 1938. Sowjetische Instrukteure halfen der osteuropäischen „nationalen“ Politischen

Polizei, diese Prozesse im eigenen Land zu organisieren. All das geschah nach dem Zweiten Weltkrieg, in einem friedliebenden Europa! Der zweite Faden sind eigene

Erlebnisse des Autors. Nach 1945 hatte er in Budapest eine gute berufliche Anstellung, lebte friedlich mit seiner Familie, bis er im Sommer 1949 plötzlich verhaftet wurde. Warum? Die Politische Polizei klärte ihn auf: Er sei ein US-Spion, der in der Schweiz von „amerikanischen Imperialisten“ angeworben worden sei und den Auftrag erhalten habe, nach dem Krieg in Ungarn Spionage- und Auf Wühlarbeiten zu organisieren. Eine Behauptung bar jeglichen Wahrheitsgehalts. Hodos' Kollegen aus der Schweiz waren ebenfalls bereits in Haft. Mit ihnen wurde die sogenannte Schweizer Gruppe kreiert, und die zwölf Mähner und zwei Frauen wurden in einem Geheimverfahren zu langjährigen Kerker strafen verurteilt. Einer wurde hingerichtet.

Hodos selbst bekam ein „mildes Urteil“: acht Jahre Kerker, wovon er fünf abgesessen hat. Seine Schilderung über die Verhältnisse in den diversen kommunistischen Gefängnissen sind haarsträubend.

1954 kam Hodos frei — unter der ersten Regierung Imre Nagys — und emigrierte mit seiner Familie im Winter 1956 nach Wien. Heute lebt er in den USA.

Es ist gar nicht verwunderlich, daß er mit der Abfassung dieses Buches so lange gewartet hat. Er mußte erst das schreckliche Trauma der Kerker jähre verarbeiten.

SCHAUPROZESSE. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948 bis 1954. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1988. 303 Seiten, öS 265,20.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung