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Schon im Sog?

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Italiens Gemeinde-, - Provinz- und Regionalverwaltungen heißen Grünte. Sie sind das, «was die Spanier „Juntas“ nennen. Seit den Wahlen vom 15. Juni sinddie Italiener“ mit der Bildung ihrer Behörden in der Peripherie beschäftigt. Dabei zeichnen sich zwei Tendenzen ab: nämlich Seitensprünge nach links zu machen, die d,en Parteizentralen in der Hauptstadt gar nicht in den Kram passen, und die Genugtuung der Angehörigen kleiner Linksparteien, an Seiten der KPI die Democräzia Cri-stiana in die Opposition zu versetzen.. Die Abklärung dieser beiden Tendenzen ist eine halbe Wissenschaft. Ja, Geheimwissenschaft, die sogenannte „Giuntologia“. Sachverständige der „Giuntologia“ sind heute wichtiger als die Spezialisten der „Gorren-tologie“, der hohen Wissenschaft der Parteiströmungen.

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Italiens Gemeinde-, - Provinz- und Regionalverwaltungen heißen Grünte. Sie sind das, «was die Spanier „Juntas“ nennen. Seit den Wahlen vom 15. Juni sinddie Italiener“ mit der Bildung ihrer Behörden in der Peripherie beschäftigt. Dabei zeichnen sich zwei Tendenzen ab: nämlich Seitensprünge nach links zu machen, die d,en Parteizentralen in der Hauptstadt gar nicht in den Kram passen, und die Genugtuung der Angehörigen kleiner Linksparteien, an Seiten der KPI die Democräzia Cri-stiana in die Opposition zu versetzen.. Die Abklärung dieser beiden Tendenzen ist eine halbe Wissenschaft. Ja, Geheimwissenschaft, die sogenannte „Giuntologia“. Sachverständige der „Giuntologia“ sind heute wichtiger als die Spezialisten der „Gorren-tologie“, der hohen Wissenschaft der Parteiströmungen.

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Früher ,als die Welt noch in Ordnung war, entsprachen in Italien die Gemeinde-, Provinz- und Regionalverwaltungen außerhalb von Rom der in der Hauptstadt stationierten Staatsverwaltung. Der Mailänder oder Turiner Stadtrat war also eine „Miniregierung“, nach Art und Vorbild der italienischen Zentratregie-rung in Rom. Große Ausnahme waren die Behören in der sogenannten roten Zone Aemiliens-Romagna,1 der Toscana und Umbriens. Sie waren die Schönheitsfehler einer sonst einfachen und einheitlichen politischen Landschaft.

Mit dem Linksrutsch vom 15. Juni ist es anders geworden. Der „rote Gürtel“ hat gleichsam Hosenträger bekommen, und zwar über Liguri«1» Piemont und dem Aostatal bis an die französische und schweizerische Grenze. Ohne Unterstützung anderer Parteien konnten die sogenannten Volksfrontparteien, Kommunisten und Linkssozialisten, in diesem dritten Teil Italiens eine Regional-, Provinz- und Stadtverwaltung nach der anderen bilden. Die. Generalsekretariate der bisherigen Regierungsparteien in Rom hatten das große Nachsehen, weil es die Linkssozialisten vorzogen, mit den Kommunisten zu marschieren.

Dort, wo die Volksfront-Parteien die entscheidenden 51 Prozent nicht erreichen und deshalb einer Unterstützung bedurften, fanden sich regelmäßig Heckenschützen aus anderen Parteien, die den Parolen der römischen Generalsekretariate zu keinem Durchbruch verhalfen und ihre eigenen Wege gingen. In Mailand waren es zwei Christlichdemokraten und drei Sozialdemokraten, die der Völksfrontverwaltung auf die Beine halfen und von den römischen Zentralen auch prompt aus den betreffenden Parteien ausgeschlossen wurden. Was in Italiens wirtschaftlicher Hauptstadt offen und ehrlich geschah (und die entsprechende Reaktion in der politischen Hauptstadt fand), war südlich von Florenz weit schwerer durchschaubar. Nur noch die „Giun-tologen“ verstehen einigermaßen, warum in Catanzaro (Kaiabrien) oder in der Stadtverwaltung von Rom eine Volksfront-Giunta gewählt werden konnte — mit der Stimmenthaltung der Sozialdemokraten, Christliehdemokraten und sogar der Liberalen. Haben in Mailand einzelne Männer den Mut gefunden, die Befehle der Römer Parteizentrale in den Wind zu schlagen, so waren es in Mittel- und Süditalien ganze Parteien, die sich auf lokaler und regionaler Ebene für die Volksfront entschieden, ohne dabei ausgeschlossen zu werden.

Nun stellt sich eine große Frage für Italien und die nichtkommunistische Welt: können sich die Parteienzentralen in Rom doch noch irgendwie Gehör verschaffen oder sind die Stadtverwaltungen in der Peripherie, entweder jene in Mailand oder Catanzaro, Vorboten eines kommunistisch werdenden Italien? Zweifellos ist manches, was außerhalb Roms geschieht, ein bloßer „Racheakt“ auf die jahrzehntelange Bevormundung durch den Zentralstaat und die Generalsekretariate. Die Sogwirkung, die von solchen Aufständen in der Peripherie aber ausgeht,' könnte über kurz oder lang den ganzen Staat mitreißen/(Siehe auch unseren Italien-Beitrag auf Seite 6).

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