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Sperber entdeckt

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Oft reagiert man in Paris auf Zeitströmungen als erstes oder versteht es, als erste dazustehen, so war es etwa beim Existentialismus, beim Strukturalismus oder gar beim Neostruk-turalismus und der Postmoderne. Sehr viel später wird dann bekannt, daß ohne Martin Heidegger und Karl Jaspers kein Existentialismus, ohne Moritz Schlick und Roman Jacobsen kein Strukturalismus, ohne Historismus keine Postmoderne möglich gewesen wären.

Sigmund Freud war für Paris eine Entdeckung 'der sechziger Jahre, und ohne ihn hätte es keinen Jacques Lacan gegeben. Nach der kräftigen Auswertung durch Jean-Paul Sartre wird in Paris seit kurzem erst die deutsche Philosophie in breiter Diskussion erörtert, wobei auch Nicolai Hartmann und Max Scheler zu Ehren kommen.

Unter den Österreichern findet Ludwig Wittgenstein langsam die verdiente Beachtung, und unter den Autoren Arthur Schnitzler, Thomas Bernhard, Peter Handke und Manes Sperber, der von 1938 biß zu seinem Tod im Jahr 1985soffar:i -ziemlich unauffällig-in Paris gelebt hat. Zwar erschien die Trilogie „Wie eine Träne im Ozean” ab 1949 in Einzelausgaben, die jedoch, von einigen ehrenden Besprechungen abgesehen, nicht viel Resonanz fand. Damals standen Andre Malraux, Albert Camus, Jean-Paul Sartre, Gabriel Marcel, Raymond Aron im Scheinwerferlicht, und sie schrieben französisch, oder wie Arthur Ko-estler englisch, Sperber aber deutsch.

Vor wenigen Monaten erschien nun „Wie eine Träne im Oezan ” bei dem neuen, ehrgeizigen Pariser Verlag Odile i Jacob, und die großen Zeitungen und Zeitschriften überboten einander mit spektakulären Artikeln und Besprechungen. Auch ein folgender Essayband fandvielfaches Echo. Was war geschehen?

Natürlich hat die politische Situation sich wesentlich geändert. Die massive Kritik an den kommunistischen Illusionen der Weltrevolution wird neu gesehen.

Manes Sperber, selbst einst überzeugter Kommunist, dann ebenso scharfsinniger wie massiver Gegner, beschreibt in seiner Trilogie die Geschichte der Verführung durch politischen Glauben und der Desil-lusionierung an einem jungen Menschen, der ihm ähnelt. In der Trilogie und in unzähligen Essays werden die psychologischen Motive, die Konflikte, die Erkenntnisse dramatisch und analytisch dargestellt, auf eine gerade heute sehr aufregende Weise. Im deutschsprachigen Bereich waren Sperbers Werke bekannt, in hohen Auflagen gelesen, Manes Sperber selbst mit Preisen geehrt. Bald wird der Name Sperber, von Paris ausgehend, in der Welt widerhallen - und das ist gut so.

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