7227842-1993_50_23.jpg

Weihnachten im Ausland

19451960198020002020

Diese Weihnachten bin ich Ausländerin. Lebe und arbeite im Ausland. Glücklicherweise sprechen dieses Ausland und ich die gleiche Muttersprache, ich kann mich also verständlich machen und falle auch sonst nicht weiter auf.

19451960198020002020

Diese Weihnachten bin ich Ausländerin. Lebe und arbeite im Ausland. Glücklicherweise sprechen dieses Ausland und ich die gleiche Muttersprache, ich kann mich also verständlich machen und falle auch sonst nicht weiter auf.

Werbung
Werbung
Werbung

Auch hier in diesem Ausland lieben die Menschen das Weihnachtsfest, auch in der designierten Hauptstadt Berlin werden diejenigen, die hier Ausländer sind — ich meine natürlich die, denen man „es schon von außen ansieht” — das Fest wohl mitbegehen, wenn es auch nicht das ihre ist.

Im Bus neulich - er schüttelt mich täglich vom feinen Ku-Damm durchs wilde Kurdistan-Kreuzberg bis nach Neukölln -steigt eine Gruppe, besser eine kleine Horde Ausländer zu, von der Art „der man es ansieht”, johlt, brüllt in kehliger Fremdsprache, rempelt, provoziert.

Der Fahrer stellt den Motor ab, kommt aufs Oberdeck. Ob er die Polizei holen solle oder ob sie freiwillig ausstiegen. Sie tun es, johlend. Eine Inländerin, fest zugepackt mit Weihnachtseinkäufen, schrillt ihnen ein „Scheißausländer” nach. „Ja-woll” stößt eine zweite nach. Die Umsitzenden nicken schweigend Unterstützung.

Der Bus, gesteckt voll, fährt weiter. Ein junger dunkelhaariger Mann wendet sich in fast tadellosem Deutsch an die Deutschen um ihn: „Sie haben recht, meine Herrschaften, das war nicht gut von denen, war mieses Benehmen, aber mit ,Scheißaus-länder' fühle ich mich auch betroffen, sagen Sie das nicht mehr, ich möchte nicht aussteigen müssen, ich danke Ihnen.”

Und ich? Schultern hochgezogen und ins Textbuch vergraben. Ich bin hier Ausländerin, verdammt, und ich fühle mich nicht betroffen! Beim Aussteigen erst krähte irgendwo ein Hahn, so dreimal vielleicht und es blieb mir ein mieses Gefühl im Magen und im Gewissen. Bedecktschweigende Mehrheit geblieben. So fängt es an und so hört es auch auf. Nicht in den Spiegel schauen. Den Busfahrschein stecke ich mir auf den Christbau, der hier Weihnachtsbaum heißt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung