Ochs und Esel

Ihr Eselein, kommet!

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Dass ‚Ochsenschläue‘ und ‚Eselsgenie‘ noch nicht Teil der Umgangssprache geworden sind, muss mit menschlicher Überheblichkeit zu tun haben.

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Dass ‚Ochsenschläue‘ und ‚Eselsgenie‘ noch nicht Teil der Umgangssprache geworden sind, muss mit menschlicher Überheblichkeit zu tun haben.

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Diese Kolumne hat auch ihre „heiligen Zeiten“. Und deshalb wird es den genialen Feldhasen samt Dürer erst zu Ostern geben. Die Weihnachtsausgabe aber gehört Ochs und Esel. Oben sehen Sie freilich, dass sich allein der Esel ins Porträt gedrängt hat. Aber da das Rind in der Geschichte links von Höhlenwänden strahlt, muss niemand an der Krippe weinen.

Ochs wie Esel haben zu Weihnachten ohnehin ihre liebe Not. Zumindest theologisch. Denn sie wurden nachträglich in die Geburtsszenerie geschmuggelt: Im Weihnachtsevangelium kommen sie jedenfalls mit keinem Wort vor. Erst zwischen 600 und 1300 nach Christi Geburt wurden sie zur Krippe verpflanzt. Und zwar, weil es im Alten Testament heißt, selbst die dümmsten Tiere würden im Gegensatz zu den Menschen Gott erkennen: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe des Herrn, Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.“

Doch macht die Messiasverachtung der Menschen die Lage für Ochs und Esel nicht besser: Sie bleiben ja vorurteilsgerechte „Animal Idiots“, mit und ohne Krippe und Christkind.

Dass ‚Ochsenschläue‘ und ‚Eselsgenie‘ noch nicht Teil der Umgangssprache geworden sind, muss mit menschlicher Überheblichkeit zu tun haben.

Mit diesem Vorurteil können wie hier ruhigen Gewissens aufräumen. Wir könnten etwa eine Geschichte aus Bayern Anno Domini 2011 erzählen, in der ein Rindvieh, das geschlachtet werden sollte, die Hauptrolle spielt. Es entkam nicht nur erfolgreich, indem es zahlreiche Türen und Tore des Schlachthofes öffnete. Es konnte auch wochenlang nicht eingefangen werden, weil es listig seinen Jägern entkam und sie im Wald in die Irre führte. Den Gipfel erreichte das Treiben, als das Tier in Robin-Hood-Manier im Schutz der Dunkelheit seine Nachkommenschaft auf der Weide besuchte.

Der Esel wiederum ist seit 6000 Jahren Haustier, weil er als Wüstentier unglaublich effizient Entbehrungen wegstecken kann. Durst und Wasserverlust von bis zu 30 Prozent seines Körpergewichts steckt er ohne Klage weg. Wasserstellen werden von weitem gewittert und auch erinnert. Mehr als 25 Kilometer läuft der Esel, um an seine Ration zu kommen. Der Mensch müsste also einmal überlegen, ob er den sprichwörtlichen „störrischen“ Esel nicht wegen der Dummheit des Tieres bekommt, sondern wegen der Dummheit seiner Befehle an das Tier.

Jedenfalls vorbildlich aber ist eselhaftes Gruppenverhalten. Denn eigentlich ein Einzelgänger, gesellen sich auf längeren Weidewanderungen bis zu acht Tieren zueinander. Die Führung wechselt dabei häufig, und wie Verhaltensforscher berichten, ganz ohne Rivalitäten und Streit, immer um höchstmögliche Effizienz und Energieersparnis bemüht. Man mag sich gar nicht vorstellen, was Esel zu den Rivalitäten in menschlichen Unternehmen sagen würden. Das mit der Krippenszene ist also vielleicht kein Wunder. Es ginge uns vielleicht besser mit Ochsenschläue und einem Schuss Eselei.

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