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Das Kiadinder Krippe

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„Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“ Kein würdigerer Ort auf der ganzen Welt als dieser, dem seit undenkbaren Zeiten die Tiere und mit Ihnen die Menschen die Erhaltung ihres Lebens verdanken. Darum gibt es von nun an kein Reden über den Herrn mehr, ohne daß nicht zugleich von der Krippe gesprochen wird. „Dein Krippen glänzt hell und klar, die Nacht gibt ein neu Licht dar.“ So hat Martin Luther einen der ältesten Gesänge der Christenheit, den Hymnus des Bischofs Ambrosius, übersetzt. Er selbst sagt es gleich zweimal in seinen eigenen Weihnachtsliedern: „Des ewgen Vaters einig Kind jetzt man in der Krippe findt“ Und zehn Jahre später: „So merket nun das Zeichen recht: Die Krippe, Windelein so schlecht, da findet ihr das Kind gelegt, das alle Welt erhält und trägt.“

Aber die Krippe ist offenbar doch ein merkwürdiger. Ort für die Geburt. Die Christen sind darüber zu allen Zeiten nicht ganz froh geworden. So. haben die Maler die Stätte wohnlicher gemacht, mit Samt und Seide ausstaffiert, so haben die Dichter das harte Holz, auf dem der eingeborene Sohn ruhen muß, beklagt und sich selbst als bessere Lagerstatt angeboten. „Komm, Schönster, in mein Herz hinein, komm eilend, laß die Krippen sein“, ruft Johann Rist 1641 . aus. Christian Keimann nennt wenige Jahre später, wie auch eine der. alten biblischen Handschriften es sagt, die Krippe eine Höhle. Paul Gerhardt, wieder fast zur gleichen Zeit, bedauert: „O daß doch so ein lieber Stern soll in der Krippe liegen“, und ineint: „Für edle Kinder großer Herrn gehören güldne Wiegen.“ Und noch einmal, 1684, vergleicht ein Dichter die Krippe mit einer Höhle, aus der Glanz hervorbricht und sich in alle Welt hereinstreckt.

Die Krippe seines Herrn: Sie beunruhigt und läßt sich nicht verniedlichen. Jedes „Kripplein“ scheint darum eine unangemessene Aussage zu sein. Was zur handfesten Stillung des Hungers ersonnen ist, wehrt sich gegen jede Verkleinerung. So greifbar, sinnenhaft gegenwärtig das den Hirten verkündete Kind auch ist, so stimmt doch zugleich das andere, was Albrecht Goes in einem Weihnachtsgedicht sagte: „Wir können dich, Kind, in der Krippe nicht fassen. Wir können die Botschaft nur wahr sein lassen.'! Die Wahrheit, daß aus diesem fremden Gast, der den Tieren im Stall ihren Futtertrog besetzt hält, einmal das Brot der Welt werden wird, verlangt die vorausgehende Erkenntnis: „Über deiner Krippe schon zeig uns dein Kreuz, o Gottessohn.“

Krippe und Kreuz — beide sind aus Holz. Was in der Höhle, dort im

Stall, in der Verborgenheit begann, endet auf dem Berg, allen sichtbar, und die Hammerschläge des römischen Soldaten hallen seit zwei Jahrtausenden durch die> Welt. Aber auch der überwältigte Ruf des Thomas, dem der Auferstandene seine Nägelmale gezeigt hat, pflanzt sich von Geschlecht zu Geschlecht fort: „Mein Herr und mein Gott!“ Der Kreis schließt sich. Was die Engel den Hirten verkünden, wird zum sieghaften Glauben der Gemeinde. Darum zieht es sie immer wieder zu dem, der als Brot der Welt „hart dort liegt, dir zugut.“ Darum folgt sie gern zu Weihnachten dem Ruf des Dichters Siegbert Stehmann, der kurz vor seinem Soldatentod schrieb: „Laß uns durch die Nächte gehen, gottgerufen du und ich! Wo wir an der Krippe stehen, ist die Erde heimatlich!“

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