6880812-1979_09_07.jpg
Digital In Arbeit

Wie aus einem Wiener Oberst Nguyen Dan wurde

19451960198020002020

In Indochina hört das Blut nicht auf zu fließen: Jetzt hat der Grenzkrieg zwischen China und Vietnam mit einem Schlag sogar die Gefahr einer globalen Konfrontation heraufbeschworen. Vietnam ist wieder im Blickpunkt des Weltgeschehens. Wie die ganze Tragödie um dieses Land begonnen hat, erlebte ein heute 63jähriger Wiener auf Seite der Vietnamesen selber mit. Er war auch Augenzeuge des letzten chinesischen Einmarsches in Vietnam, der vor über drei Jahrzehnten stattfand.

19451960198020002020

In Indochina hört das Blut nicht auf zu fließen: Jetzt hat der Grenzkrieg zwischen China und Vietnam mit einem Schlag sogar die Gefahr einer globalen Konfrontation heraufbeschworen. Vietnam ist wieder im Blickpunkt des Weltgeschehens. Wie die ganze Tragödie um dieses Land begonnen hat, erlebte ein heute 63jähriger Wiener auf Seite der Vietnamesen selber mit. Er war auch Augenzeuge des letzten chinesischen Einmarsches in Vietnam, der vor über drei Jahrzehnten stattfand.

Werbung
Werbung
Werbung

Am 12. September 1945 marschierte eine 180.000 Mann starke nationalchinesische Armee in Hanoi ein - allerdings nicht wie in diesen Tagen die rotchinesische Armee, um die vietnamesischen Genossen zu „bestrafen“. Den Entscheidungen von Potsdam zufolge war es damals die Aufgabe dieser von General Lu Han geführten Truppe, das Gebiet von Tonking und Annam bis zum 16. Breitengrad zu besetzen und die sich darin aufhaltenden 30.000 japanischen Soldaten zu entwaffnen.

Freilich waren die Chinesen auch 1945 im Norden Vietnams keine willkommenen „Gäste“. Der heute im 22. Wiener Gemeindebezirk lebende Ernst Frey erinnert sich: „Das Wort .Einmarschieren' könnte einen falschen Eindruck von den chinesischen Besatzern erwecken. Wie ein Heuschreckenschwarm sind sie über • das Land heTgefallen, teilweise m** Kind und Kegel im Troß.“, -

Frey war damals bereits Mitglied der Kommunistischen Partei Indochinas und hatte Kontakte zu den führenden Funktionären der Viet-minh, der „Liga der Verbände für die Unabhängigkeit Vietnams“. Die negative Einschätzung der nationalchinesischen Soldaten durch seine vietnamesischen Genossen war schon aus rein machtpolitischen Gründen nicht verwunderlich: Nicht nur, daß die Chinesen sich damals als Plünderer hervortaten, Frauen, Kinder, Prostituierte und Marketender ins Land schleppten - sie brachten auch eine Anzahl von antikommunistischen vietnamesischen Politikern mit, was Ho Chi Minh, dem kommunistisch orientierten Führer der Vietminh, erhebliche Schwierigkeiten verursachte.

Ernst Frey war als Angehöriger des 5. Regiments der französischen Fremdenlegion im Sommer 1941 nach Indochina gekommen. Stationiert in Vietri im Norden Vietnams, gründet er in dieser Garnison zusammen mit deutschen und österreichischen Gesinnungsgenossen innerhalb der Fremdenlegion eine kommunistische Zelle.

Im Laufe des Jahres 1944 kommt Frey in Berührung mit Louis Caput, einem Lehrer, der Chef der indochinesischen Sozialisten und Führer der „Resistance Indochinoise“ war. Caput vermittelt Frey Kontakte zur Kommunistischen Partei Indochinas. Der Sozialisterichef hat dabei mit den roten Legionären etwas ganz bestimmtes vor: Sie sollen ihre vietnamesischen Genossen von der Notwendigkeit einer Einheitsfront aller antifaschistischen Kräfte - in die auch die indochinesischen Kommunisten eintreten sollen - gegen die Japaner und die faschistisch angehauchte französische Decoux-Ver-waltung in Indochina überzeugen. Die Vietnamesen lehnen ab. Sie wollen, daß zuerst ihre Unabhängigkeit von den Franzosen anerkannt wird.

Es kommt alles anders: Am 9. März 1945 entwaffnen die Japaner iitciwci^.

kann unter der Führung von General Alessandri nach China entkommen. Frey bekommt für einige Monate die Grausamkeit japanischer Kriegsgefangenschaft zu spüren.

Als er wieder freikommt, hat sich die politische Lage im Norden Vietnams grundlegend verändert: Ho Chi Minh hat inzwischen die Unabhängige Republik Vietnam ausgerufen, nachdem die Japaner am 2. September 1945 kapituliert und den Vietnamesen die öffentlichen Verwaltungsstellen, die Büros der großen Gesellschaften, die Rundfunkstationen sowie die den Franzosen abgenommenen Waffenlager übergeben haben.

Frankreich antwortet darauf mit einer Politik der Rekolonisierung: Der praktisch machtlose Jean Sain-teny wird in Hanoi als Hochkomissar eingesetzt, soll mit den Vietnamesen verhandeln, stößt dort jedoch auf Ablehnung. Als einzig mögliche Vermittler sieht Caput in dieser Situation die kommunistische Zelle innerhalb der Fremdenlegion, die sich nun wieder auf freien Fuß befindet.

Frey und Genossen stellen sich wieder zur Verfügung und kommen mit Truong Chinh, dem damaligen

Generalsekretär der Vietminh, Vo Nguyen Giap (Innenminister) und Pham van Dong (Propagandaminister) in Kontakt. Lange hält die Vermittlertätigkeit allerdings nicht an: Da ihre Legionsverpflichtungen am 5. 10. 1945 erlöschen, bleiben die roten Legionäre bei ihren vietnamesischen Genossen.

Unter den vietnamesischen Offizieren, die erfolgreich gegen Franzosen, Amerikaner sowie Rote Khmer kämpften und die jetzt an der Nordgrenze des Landes die Chinesen aufzuhalten versuchen, dürften sich jedenfalls auch solche befinden, die ihre ersten militärischen Grundkenntnisse bei einem Wiener erlernten. Denn es war Ernst Frey, der den ersten Kaderkurs der vietnamesischen Befreiungsarmee leitete.

Insgesamt fünf Jahre, verbringt Frey ibdl der Vietrainh',1 sahlägt'sich gegen seine einstigen französischen Kameraden, nachdem mit einem heimtückischen Angriff der Vietnamesen auf die französischen Garnisonen in Hanoi, Tonking, Annam, Nam Dinh, Bac Ninh und Hue der Krieg endgültig ausgebrochen ist. Giap ernennt Frey zum Oberst, aus dem ehemaligen Korporal Frey der Fremdenlegion ist damit Oberst Nguyen Dan der vietnamesischen Befreiungsarmee geworden.

Giap beruft Oberst Dan in der Folge in sein Hauptquartier und überträgt ihm einen eigenen Wehrkreis. Der Wiener im Dienste der vietnamesischen Befreiungsarmee ist eine Zeitlang für die Sicherheit sämtlicher Zentralstellen von Regierung und Partei der im Untergrund agierenden Republik Vietnam verantwortlich.

Daß aus Oberst Dan eines Tages dann doch wieder Ernst Frey geworden ist, weil Giap ihn nach Hause schickte, hat einen besonderen Grund. Im tiefen Dschungel Indochinas hatte Frey ein Gotteserlebnis, das ihn seine ganze Situation mit anderen Augen sehen ließ. Er kehrte nach Wien zurück und ließ sich taufen. Der Krieg in Indochina war nicht mehr sein Krieg ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung